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Predigt zum 3. Sonntag nach Epiphanias
Reihe II
Rö.1,16-17 Leben aus Glauben
Thema:  Ich schäme mich des Evangeliums nicht

Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach
gehalten am 25.01.2004 in Winterbach
 

Ein bisschen waren wir alle heute morgen schon wie Paulus ...

liebe Gemeinde in Winterbach!

Wir haben uns nicht geschämt
uns aufzumachen, auf die Straße zu gehen
und hier in aller Öffentlichkeit durch die Kirchentür hereinzukommen.

Für manche gestaltet sich das ja gar nicht so einfach,
der Kirchenbesuch gerät fast so etwas wie einem Bekenntnisakt.
Wenn da der Ehemann
noch im Bett liegt am Sonntagmorgen
oder die Nachbarn verstohlen hinter dem Vorhang beobachten,
wer da so in die Kirche unterwegs ist.

Aber wenn wir jetzt gleich Paulus hören werden,
dann werden wir vergewissert:
An Gott zu glauben, dafür müssen wir uns nicht schämen,
sondern das ist unsere Stärke.

Ich möchte dazu den Predigttext lesen,
aus dem Römerbrief, im 1. Kapitel, die Verse 16-17: [Bibel]

[...] ich schäme mich des Evangeliums nicht;
denn es ist eine Kraft Gottes,
die selig macht alle, die daran glauben,
die Juden zuerst und ebenso die Griechen.
Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt,
welche kommt aus Glauben in Glauben;
wie geschrieben steht: "Der Gerechte wird aus Glauben leben."

1. Kraft aus Glauben (Paulus)

Wechseln wir also einmal zunächst die Szene
vom Sonntagmorgen im eher beschaulichen Winterbach
zu diesem Paulus hin, damals
im römischen Weltreich vor 2000 Jahren.

Die ganze damalige Welt bildet seinen Horizont.
Im Osten hatte er die gute Nachricht von Jesus kreuz und quer erzählt,
jetzt will er weiter nach Westen vorstoßen
und dabei in die Hauptstadt kommen
und von dort nach Spanien ziehen.
Von Osten und Westen,
von Süden und Norden
sollen ja die kommen,
die sich um Jesus versammeln.

Diese Mission will Paulus mit dem Römerbrief vorbereiten.
Er will sich der Gemeinde in Rom vorstellen und empfehlen.
Er macht Werbung für sich,
damit die Gemeinde ihn dann aufnimmt und unterstützt,
wenn er kommt.
Dazu bietet er eine Grundlegung seiner Theologie
und deshalb ist der Römerbrief so gewichtig.
Die beiden Verse im heutigen Predigttext bieten
eine Zusammenfassung seiner wichtigsten Gedanken.

Und Paulus steht für das gerade, was er sagt:
"Ich schäme mich nicht" sagt er,
obwohl gewiss nicht alle etwas anfangen werden
mit den theologischen Schwergewichten, die dann kommen:
das Evangelium, Gottes Gerechtigkeit,
Rettung und Seligkeit der Menschen
und Leben aus Glauben.

Paulus spricht hier so kraftvoll vom Evangelium
und er gebraucht das Wort dazu auch,
dass ich diesen ersten Abschnitt meiner Predigt
im Nachhinein mit "Kraft aus Glauben" überschreiben möchte.
Übrigens atmet dieses Wort von der
"Kraft des Evangeliums"
etwas davon,
was uns heute häufig bei der Rede in Englisch
von "power" begegnet:
Damit ist nicht nur eine messbare Kraft gemeint,
sondern eine Macht, eine Dynamik.
Mit dem griechischen Wort: eine dynamis.
Die Kraft des Glaubens.

2. Gerechtigkeit aus Glauben (Luther)

Nach der "Kraft"
möchte ich nun in zwei weiteren Abschnitten
die
"Gerechtigkeit aus Glauben"
und das
"Leben aus Glauben"
mit Ihnen bedenken.

Zweitens also: Gerechtigkeit aus Glauben

Paulus schreibt:
"Im Evangelium wird die Gerechtigkeit offenbart, die vor Gott gilt".
Diesen Satz hat Martin Luther für sich meditiert
und später davon erzählt.
Wieder und wieder sei er an diese Stelle gekommen.
Er las: "Gerechtigkeit Gottes".
Das konnte er sich nur so vorstellen,
dass Gott irgendwann dreinschlagen würde
und ihn spätestens im Gericht verurteilen müsste,
weil er, Martin Luther, ja Gott nicht gerecht wurde
mit seinen Gedanken, Worten und Taten.

Aber dann, mit einem Mal,
und man spricht da vom "Turmerlebnis" Luthers,
sei ihm das plötzlich aufgegangen,
wie das gemeint ist
und dass er das bisher im ganz verkehrt aufgefasst hatte.

Die Gerechtigkeit Gottes spricht von Gottes Gerechtigkeit,
nicht davon, wie Menschen handeln und sich abmühen
um gerecht zu sein.

Paulus erzählt nicht vom Tun der Menschen,
sondern vom Handeln Gottes,
wenn es um die Gerechtigkeit und die Rechtfertigung geht.
Alles läuft im Römerbrief darauf hinaus,
dass der Mensch nicht Gott gerecht werden kann,
deswegen kommt Gott dem Menschen entgegen,
wird Gott dem Menschen gerecht,
begegnet den Menschen in Jesus quasi auf Augenhöhe.

Übertragen gesprochen war Martin Luther
wie ein Ertrinkender in seinen Selbstvorwürfen.
Aber dann war da nicht ein Gott,
der von oben herab milde oder kalt lächelnd befahl:
"Und jetzt schwimm mal schön und zeig deine Leistung!"
Nein!
Sondern Gott kommt hinein in die Fluten,
er kommt in die Welt.
Er holt uns da ab, wo wir sind.
Wie wir es kürzlich gesungen haben:
Christ, der Retter ist da!

Bei dieser Rettung geschieht freilich nichts für die Augen,
das kann man nicht fotografieren
oder irgendwie dingfest machen.

Dieses Geschehen wird im Glauben begriffen.
Das war das wichtige,
was Luther dann so betont hat
und was zur Formel
für die evangelische Christenheit überhaupt geworden ist:
Gerechtigkeit kommt aus Glauben und nicht aus Werken!

Für diese Einsicht schämte sich Luther dann auch nicht.
Da war Power drin,
wie diese Szene beim Reichstag vor dem Kaiser zeigte,
bei dem Luther für die neue Erkenntnis einstand.
Etliche von uns haben diese Szene sicher auch
vom neuen Luther-Film
eindrücklich in Erinnerung.

Wenn wir Gott nicht als Fordernden,
sondern als schenkenden Gott begreifen,
wie das Luther da aufgegangen ist,
dann können wir plötzlich die ganze
Geschichte Gottes mit den Menschen in diesem Licht sehen.
Kein Gott als Antreiber,
sondern ein schenkender Gott ist da am Werk,
ein Gott, der Leben gibt.

Damit bin ich beim dritten Teil:

3. Leben aus Glauben (Jesus)

Ein anschauliches Beispiel dafür,
wie Gott Leben schenkt,
wird uns von Jesus erzählt.
Mir ist das im Zusammenhang der Vorbereitung
eines Gottesdienstes für Kleinkinder aufgegangen,
den wir gestern in Urbach gefeiert haben.

Jesus begegnet da einem Menschen,
der nichts bringen kann,
der sich nicht einmal selbst bringen kann.

Vorhin haben wir diese Geschichte auch in der Schriftlesung gehört.
Jesus in einem vollen Haus,
kein Weg führt mehr hinein.

Wir spielten diese Geschichte von der Heilung des Gelähmten
gestern für die kleinen Kinder vor
mit ganz einfachen Puppen:
[zeigen]
Alle Figuren waren kleine Tücher,
die um einen kugeligen Kopf in Tennisballgröße herum
abgebunden waren.
Diese Tücher mit Kopf konnte man auf eine kleine Stütze stecken
und dann standen da Puppen.
Nur eine stand nicht.

Einer blieb liegen, "a lommeliger Lappa",
wie wir schwäbisch sagen würden.
Unnütz, von den andern ausgeschlossen.

Seine Situation ändert sich, als Freunde
ihren Glauben an Jesus leben.
Glauben ist Vertrauen.
Und diese Freunde vertrauten darauf:
"Jesus kann unserem Freund helfen!"
Und ihr Glaube konnte in diesem Fall fast Berge versetzen,
und gab ihnen eine Idee senkrecht von oben.

Sie senkten den Kranken herab vor die Füße Jesu.
Dieser sieht ihn an und die Freunde.
Er verkündigt ihm das Evangelium:
"Mein Sohn", sagt er, und damit gibt er ihm eine Ehrenbezeichnung,
eine Liebesbezeugung.
Jesus nimmt ihn an,
obwohl dieser sich vielleicht sein Leben lang geschämt hatte dafür,
dass er nicht laufen konnte.
Jesus sagt zu ihm:
"Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
Du brauchst dich nicht zu schämen vor all den Leuten hier,
Gott hat dich lieb!
Du darfst ein neues Leben beginnen!"

Das hat manche geärgert im Umfeld.
Und zur Bestätigung sagt Jesus dann noch dazu:
"Steh auf, nimm dein Bett und geh!"

Im Kleinkindergottesdienst haben wir das dann so gemacht,
dass die innere Stütze in den Lappen geschoben wurde.
Der Gelähmte stand nun
kräftig da
und bekam eigene Kraft um zu gehen.
Er konnte ein neues Leben aus Glauben beginnen.

Kehren wir wieder zurück zu Paulus:
"Der Gerechte wird aus Glauben leben", schrieb er.
Wer gerettet ist,
wer weiß, dass seine Sünde vergeben ist,
der bekommt damit eine innere Stütze,
Kraft aus Glauben.

Paulus kann man das persönlich abspüren.
Er schämte sich nicht, diesen Glauben zu verkündigen.
Im Gegenteil:
Er verbreitete das offensiv.
Er trieb die Mission Jesu über das jüdische Land hinaus in die Welt.

Wir können ihm das abnehmen.
Wir können uns anstecken lassen von dieser Kraft,
die aus der Gerechtigkeit Gottes kommt
und uns leben lässt.

Nach diesem Durchgang durch Gaben des Glaubens,
Kraft,
Gerechtigkeit vor Gott,
und Leben,
knüpfe ich noch einmal an an den Anfang vorhin.

Schluss

Wir brauchen unseren Glauben
unseren Kirchgang und das alles,
unsere Kirchengemeinderatsmitgliedschaft und was auch immer
nicht zu verstecken.
Wir bekennen uns damit ja auch nicht zu uns selbst,
sondern zu dieser frohen Botschaft.

Diese kann uns Mut machen,
fröhlich im Glauben zu stehen
und dann auch fröhlich zu unserem Glauben zu stehen!

Dann können wir sogar ohne Scham
über uns hinaus in die Mission des Paulus eintreten
und den Glauben weitertragen.

Es gibt ja auch bei uns die,
die schon immer dabeiwaren.
So etwa, wie bei Paulus die zuerst genannten Juden.
Dann gibt es bei uns aber auch andere,
die noch dazukommen sollen,
die "Griechen" sozusagen.

Bei manchen spielt Scham eine Rolle,
dass sie nicht dazustoßen.
Sie trauen sich nicht, sie schämen sich,
kommen sich nicht gut genug vor.

Jesus hat die Leute aus ihrer verschämten Absonderung geholt.
Nicht nur den Gelähmten,
auch den Zachäus, der sich auf dem Baum versteckte,
oder die Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war,
und andere mehr bis hin zu
dem Schächer neben sich am Kreuz,
dem Jesu gute Botschaft die Seligkeit zusprach.

Das Evangelium weiterzuerzählen bedeutet also nicht,
andern etwas zuzumuten,
etwas Unangenehmes,
dessen wir uns schämen müssten,
sondern ihnen eine frohe, stark machende Botschaft zu bringen.

"Du darfst wissen,
dass Gott sich für dich einsetzt!"

Wer sich schämt, weil er versagt hat,
darf hören: "Deine Schuld ist vergeben!"

Oder wer sich unverschuldet schämt,
weil er missbraucht wurde als Kind,
oder als Frau,
oder als Soldat, wie auch immer,
er darf wissen:
"Im Glauben spricht mich Gott frei,

ich kann Kraft in der guten Botschaft
des Evangeliums von Jesus finden.
Vor Gott und Menschen brauche ich mich
nicht zu schämen,
sondern kann aus Glauben leben!"

Amen.

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