« Startseite Theologie

Predigt zur Investitur am Palmsonntag
Reihe II
Phil.2,5-11 Der Christushymnus
Thema:  Das Amt durch Dienst verwirklichen 

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 04.04.2004 in Hemmingen
 

Liebe Gemeinde,

die ersten Worte lasse ich mir geben von Paulus mit dem Predigttext für den heutigen Sonntag  aus dem Philipperbrief. Wenn Sie wollen, können Sie den Text im Gesangbuch unter der Nummer 764 aufschlagen. Dort steht der so genannte „Hymnus aus dem Philipperbrief“. Zum Predigtabschnitt gehört jedoch noch ein Vers vorher, d.h. ich lese Philipper 2, 5-11.

5 Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:

6 Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,

7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.

8 Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.

9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist,

10 daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,

11 und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Liebe Gäste aus nah und fern, liebe Hemminger, und insgesamt: liebe Gemeinde!

Vielleicht kennen Sie auch den Brauch, dass man in der Familie am Palmsonntag den, der als letzter aufsteht, den „Palmesel“ nennt.

Wir Hemminger sind heute die Palmesel der Landeskirche geworden! Während andere schon früher zum Gottesdienstaufgestanden sind, mussten wir aus Termingründen auf den Nachmittag ausweichen. Heute ist also Palmsonntag, der Sonntag zur Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem, als die Menschen an der Straße standen und riefen:
Hosianna dem Sohne Davids!

Der Palmsonntag bildet in der Passionszeit einen eigenartigen Höhepunkt: Er gedenkt eines fröhlichen und lauten Ereignisses, wie wir es uns damals auf der Straße in Jerusalem vorstellen können.

Auf der anderen Seite steht der Palmsonntag zugleich mitten in der Passionszeit und unter dem Eindruck, dass der Weg Jesu nach Jerusalem eben auch der Weg ans Kreuz ist.

Diese eigenartige Verschränkung von göttlicher Herrlichkeit und armseligem, dem Tod ausgelieferten Menschsein kennzeichnet die gesamte Existenz Jesu. Mit dem heutigen Predigttext aus Philipper 2 haben wir die bedeutendste Bibelstelle im Neuen Testament zu diesem Thema vor uns.

Innerhalb von 6 Versen wird da  diese ganze Spanne der Existenz Jesu erzählt, die von der himmlischen Gottgleichheit bis zum menschlichen Tod reicht.

In 6 Versen wird da die ganze Geschichte Jesu von Weihnachten bis zur Himmelfahrt erzählt und auch noch in einen kosmischen Horizont gestellt. Gott und Mensch berühren sich, Himmel und Erde werden verbunden in Jesus Christus.

Man kann zu diesem Text eine Weihnachtspredigt halten und die Menschwerdung Gottes feiern mit den Worten „Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein“.

Man kann zu diesem Text eine Karfreitagspredigt halten und den Gehorsam Jesu bis zum Tod am Kreuz nachzeichnen.

Man kann eine Osterpredigt dazu halten, von der Auferstehung und schließlich sogar eine Himmelfahrtspredigt von der Erhöhung Jesu und wie er angebetet wird.

Heute will ich aber eine Investiturpredigt halten und dafür bietet der erste (ihnen im Gesangbuch leider fehlende) Satz auch Anlass. Heute feiern wir mit der Investitur ein Gemeindefest. Und Paulus greift den Hymnus im Philipperbrief auf aus dem Alltag einer christlichen Gemeinde heraus. Eigentlich ist es nicht so, dass dieser Satz vor dem Hymnus steht, sondern der Hymnus im Zusammenhang diesem Satz zugeordnet ist.

Paulus schreibt einen Gemeindebrief. Davon nimmt unser Text in Vers 5 den Ausgang: Seid in der Gemeinde so untereinander gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht. Anders gesagt: In einer christlichen Gemeinde sollen sich die Christinnen und Christen am Vorbild Jesu orientieren. Dann gelingt Gemeinde.

In den Versen unmittelbar vorher hat Paulus - vermutlich aus gegebenem Anlass - darauf hingewiesen,  dass die Gemeinde nur dann vollkommene Freude macht, wenn in ihr trotz der Vielfalt der Gaben und der Vielfalt der Lebensgeschichten eine Einmütigkeit im Glauben besteht. Eines Sinnes sollen die Christinnen und Christen sein.

Diese Einmütigkeit, so führt Paulus das aus, zeigt sich im Umgang mit einander. Sie äußert sich in gegenseitigem Respekt und Hilfsbereitschaft.

Spüren wir das in unseren Gemeinden? Paulus fordert: Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf da Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.

Als Illustration für diese Lebenseinstellung verweist Paulus auf das Vorbild Jesus.

Mit den Versen 5 bis 11 zitiert Paulus vermutlich einen Hymnus, den die Christen damals aus dem Gottesdienst kannten. Vielleicht war das damals schon ein altes Lied, ein Christusbekenntnis, das die Gemeinde so gut auswendig kannte, wie wir unser Glaubensbekenntnis heute. Nicht umsonst finden wir diesen Text wieder im Gesangbuch.

Das Thema der Gemeinschaft in der Gemeinde hat im Hymnus am unmittelbarsten mit dem Satz von der Knechtsgestalt Jesu zu tun: Es heißt da: Der Sohn Gottes entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an.

Ich will das etwas moderner formulieren: In Jesus verzichtet Gott auf den Sicherheitsabstand zu den Menschen. In anderen Glaubensrichtungen bleibt Gott erhaben und verborgen im Jenseits. Unser Evangelium, unsere frohe Botschaft ist: Der Sohn Gottes wird selbst Mensch und das auch noch in der dienenden Form. Er erscheint nicht als menschlicher Herrscher, sondern als einer, der in einer Krippe geboren und am Ende ans Kreuz geschlagen wird.

Diese dienende Form göttlichen Handelns in Jesus ist es, was Paulus hier der Gemeinde als Vorbild hinstellt. Die Einmütigkeit im Glauben soll sich in der Nachfolge Jesu als gegenseitiger Dienst erweisen.

Davon hat die Kirche häufig gesprochen und gleichzeitig in der Umsetzung erbärmlich versagt. Selbstkritisch möchte ich das gerade an diesem Tag festhalten, dass die Kirche speziell in Gestalt ihrer Amtsträger schon viel unwahrhaftiges über das Dienen gesprochen hat. Man predigte das Dienen und praktizierte das machtbewusste Herrschen.

Deshalb stellt mich dieser Text heute vor eine gefährliche und gleichzeitig wichtige Aufgabe. Ich werde heute in ein Leitungsamt eingesetzt und soll dabei vom Dienen reden!

Wir sind dabei durchaus bei einer zentralen Eigenart im christlichen Amtsverständnis für Pfarrerinnen und Pfarrer, aber auch für alle anderen Ämter und Mitarbeit in der Kirche. Leitung soll nicht durch Macht und Herrschen, sondern durch Dienst verwirklicht werden.

Eine echte Herausforderung für christliche Ämter! Nicht nur für Bischöfe, Dekane oder Pfarrerinnen, sondern auch für Synodale, Kirchengemeinderätinnen oder Gruppenleiter,  für Hausmeister, Einsatzleiterinnen, christliche Mütter und Väter in Familien und so weiter: Einerseits sollen sie leiten und entsprechend ihrer Berufung  dabei notfalls auch für Ordnung sorgen. Andererseits sollen sie Diener sein ...

Wie geht das zusammen? Wie kann einer,  dem die Gemeinde Verantwortung und Würde gibt, zugleich ein echter Diener aller sein?

Mir scheint, dass diese Verse mit dem Vorbild Jesu dazu tatsächlich einen echten Schlüssel enthalten:

Jesus klammert sich nicht in einer Frontstellung gegen andere an eine himmlische Berufung. Er hält die Gottessohnschaft nicht wie einen Raub,  wie ein Beutestück an sich gekrallt,

sondern er kommt zu den Menschen als menschgewordene Liebe Gottes. Er lebt seine Würde nicht für sich, sondern für andere.

Jesus setzt seine göttliche Würde als Mensch für die Menschen ein.

Umso mehr wird er von den anderen dann anerkannt, erhält er die göttliche Würde eben nicht aus sich, sondern in der Anbetung der Menschen, denen er geholfen hat. Die durch den Diener und Knecht Jesus geretteten Menschen knien und beten Jesus als den Sohn Gottes an.

Diese Gesinnung bei Jesus lässt sich übersetzen in unsere Situationen:

Eine Mutter, die ihre Mutterschaft nicht für sich lebt, sich nicht an die Autorität des Erwachsenseins klammert, sondern diese Autorität im Dienst für die Kinder einbringt, wird von den Kindern als prima Mutter geachtet.

Ein Gruppenleiter, der seine Stellung nicht heraushängt und den großen Boss spielt, nicht nur für sich, sondern auch für die Jungscharkinder das Beste will, wird von ihnen echte Anerkennung oder gar Bewunderung erfahren.

Ein Pfarrer, der sein Amt nicht für sich lebt, sondern für die Gemeinde, wird, so denke ich, von dieser für seinen Dienst anerkannt.

Auf diese Weise können wir alle umsetzen, was Jesus uns gezeigt hat. Wir können zu Nachfolgern Jesu werden, wenn wir an unserer Stelle und mit unserem Auftrag zu den Menschen kommen und sie begleiten und unterstützen.

Im Hymnus wird erzählt, dass Jesus am Ende angebetet wird. Das hängt mit dem zusammen, was er bewirkt hat. Wir schaffen nicht mehr die Erlösung, das hat er schon getan. Wir tragen dazu bei, dass Menschen die Befreiung durch Jesus erleben und mit in die Anbetung kommen.

Darauf laufen unsere verschiedenen Dienste in der Gemeinde in Wort und Tat hinaus, dass Gott in Jesus Christus die Ehre gegeben wird.

Kinderkirchkinder singen Lieder für Gott, Frauenbibelkreismitglieder werden durch den Dienst der Leiterinnen im Glauben an Jesus gestärkt. Die Diakonie sorgt im Geiste Jesu für Lebenshilfe, und dafür sagen Menschen Gott Dank.

So kann sich der gemeindliche Dienst darin verbinden, dass er sich im Gottesdienst in der Gemeinde auf Jesus richtet, der Himmel und Erde verknüpft.

Wie heißt es so schön im Schluss unseres Textes? Gott hat ihn erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.

Jesus die Ehre geben, ob auf Knien, mit gefalteten Händen  oder mit Palmwedeln in der Hand, das ist das Ziel, das dieser Hymnus aus dem Philipperbrief beschreibt.

Wir sind damit wieder am Thema des Palmsonntags. Jesus steht da im Mittelpunkt, der da einzieht.

Viel wichtiger als unser Einzug ins Pfarrhaus und das neue Amt ist mir theologisch für den heutigen Tag und für uns alle, dass dieser menschenfreundliche, sich im Dienst aneinander verwirklichende Jesus bei uns einzieht. Dabei will ich mit uns allen zu denen gehören, die ihm die Ehre geben.

Jesus hat uns den Dienst im Zeichen der Liebe Gottes gezeigt. Anderen Mächten und anderen Arten der Machtausübung  setzen wir das Bekenntnis zu Jesus entgegen, wenn wir mit allen Zungen und mit unserem Predigttext bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. Amen.

Zum Seitenanfang