Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach
gehalten
am 12.08.2001 in Weiler i.R.
Liebe Gemeinde in Weiler,
ich stelle mir einen Sonnentag vor wie
diesen heute, und Jesus geht durchs Remstal. Menschen strömen um ihn herum. Ganz
eng bei ihm und ganz an seinen Lippen hängen 12 Männer. Jesus erzählt vom Reich
Gottes und er greift dabei Bilder auf, die allen vor Augen sind.
Als sie an der Rems entlangkommen, sieht man
von weitem ein Pärchen auf der Remsbrücke. Eng umschlungen sind verfließen sie
träumend mit ihrer Umgebung und sind doch andererseits ganz aufeinander bezogen.
Jesus sagt: Mit dem Himmelreich kann es dir gehen wie so einem Mann oder der
Frau: Du gehst durch die Welt und begegnest plötzlich diesem einen
Menschen. Und dann gibst du deine Zeit und deine Interessen dran und lässt dich
in deiner Freude über diese Begegnung ganz auf diesen einen Menschen ein.
Er wird zum Mittelpunkt all deiner Gedanken und so vieles, was dir bisher
wertvoll war, wird wertlos.
Dann trifft die Gruppe mit Jesus im
Stadtgewühl auf große Banken und Verwaltungsgebäude. Jesus sagt: Mit dem
Himmelreich kann es dir gehen wie so einem Banker und Börsen-Broker, der gute
Aktien sucht. Als er ein besonders Erfolg versprechendes Papier findet, da wird
er ganz verzaubert: Er verkauft alle andern und kauft dieses eine. Liebe
Gemeinde, den heutigen Predigttext habe Sie damit in einer Übertragung in unsere
Gegenwart schon gehört und wahrscheinlich auch herausgefunden, welche
Geschichten das sind.
Ich möchte Ihnen jetzt also lesen, wie
Matthäus zwei solcher Gleichnisse Jesu berichtet im 13. Kapitel seines
Evangeliums. Vielleicht ist Jesus damals gerade über Felder gegangen und dann an
einen Markt gekommen:
Mt.13,44-46
Wer diese beiden kleinen Geschichten hört,
kann sofort merken, dass sie übertragen werden wollen in das eigene Leben. Ich
möchte dazu von zwei Beispielen erzählen, wie Menschen das leben oder gelebt
haben, was Jesus in diesen Gleichnissen zum Ausdruck bringt.
a) Alles Geld und Gut für Gott
verkaufen
Das erste Beispiel greife ich aus der
Geschichte auf: Da lebte im Assisi des 12. Jahrhunderts ein reicher Kaufmannssohn namens Franz.
Er erlebte eine Begegnung mit der Botschaft Jesu und wartete darauf, wie er
dieser Botschaft folgen sollte. Die Legende von ihm erzählt, wie er dann Schritt
für Schritt alles Gut und Geld verkaufte, das er hatte. Er machte davon
Aussätzigen Geschenke, restaurierte Kirchen und half an andern Stellen. Völlig
mittellos begab er sich dann auf einen neuen Weg der konsequenten Nachfolge
Jesu.
b) Alles Geld und Gut für Gott
vervielfachen
Das andere Beispiel möchte ich aus der
Gegenwart erzählen. Namen tun dabei nichts zur Sache. Da lebt ein Kaufmann in
unserer Gegend. Der wird durch einen Schicksalsschlag ins Nachdenken gebracht
und er entdeckt für sich die Bedeutung des Himmelreiches, wie es ihm in Jesus
begegnet.
Sein Geschäft als Kaufmann führt er weiter.
Aber er hat jetzt einen anderen Mittelpunkt im Leben in seinem Glauben an Gott.
Das Leben in Gott und mit Gott ist das das Eine, auf das es ankommt.
Alles andere wird zum Anderen. Sein Geschäft führt er weiter. Aber jetzt mehrt
er damit nicht in erster Linie seinen eigenen Gewinn, sondern er setzt es ein
für das Reich Gottes. Gespräche im Laden machen Menschen nachdenklich und
interessieren sie für Gott. Sein Geld kommt an vielen Stellen der
Kirchengemeinde zugute. Seine Werkzeuge und Fahrzeuge kommen in der
Gemeindearbeit zum Einsatz.
a und b)
Beide Beispiele sind gelebte Auslegungen
dieser Gleichnisse Jesu. Wer hat das Gleichnis recht verstanden? Der, der alles
verkauft um christlich zu leben? Oder der, der handelt und seine Güter
christlich lebt?
Für beide Positionen finden sich vielleicht
Befürworter unter uns. Beides sind uralte christliche Lebensentwürfe. Und beide
können sich auf die Bibel berufen. Da gibt es die radikalen Forderungen Jesu,
dass Menschen für die Nachfolge bei ihm alles verlassen sollen. Da gibt es aber
auch das Gleichnis von den Talenten mit der Forderung, klug zu wirtschaften.
Da gab es in der Urgemeinde die jerusalemer
Christen, die ihre Äcker verkauften und ohne Besitz lebten (Apg. 4). Und da gab
es die andern, die in Kleinasien ihrem Beruf nachgingen und von ihrem Verdienst
Spenden nach Jerusalem schicken konnten. Vielleicht gehörte dazu beispielsweise
die Purpurhändlerin Lydia.
Diese beiden kleinen Gleichnisse Jesu lassen
sich also nicht auf die Formel verkürzen, dass Christen einfach alles zu
verkaufen hätten. Ich denke, dass sie überhaupt nicht rein finanziell auszulegen
sind.
Bei all den Geschichten und Beispielen, die Jesus erzählte und die, die ich
jetzt in dieser Predigt hinzugefügt habe, gibt es trotz unterschiedlicher
Verhaltensweisen den gleichen zentralen Zusammenhang:
Menschen entdecken mit dem Reich Gottes
etwas so großes, so Freude machendes, dass sie an anderem nicht mehr hängen,
sondern nur noch an diesem Einen. Diese Menschen hängen mit voller Intensität an
dem Einen, orientieren sich am Reich Gottes und sie unterscheiden sich im
Andern, in der Art, wie sie dies
umsetzen.
Jesus geht es darum, dass Menschen sich auf
das Eine ausrichten. Man kann nicht mehreren Göttern und Götzen dienen.
Diese eine Richtung soll das Reich Gottes sein, das Leben in der Freude
der Gemeinschaft mit Gott.
Martin Luther hat einmal gesagt: Woran du
dein Herz hängst, das ist dein Gott. Und um diese Dinge geht es Jesus, auch in
anderen Bibelstellen: Es soll keine Dinge geben, an die wir unser Herz so
hängen, dass wir darüber ihm nicht nachfolgen können. Nichts soll uns so binden,
dass wir darüber Gott und die andern Menschen übergehen.
Bei vielen Menschen sind tatsächlich Geld
und Gut solche Götzen, an die sie ihr Herz hängen. Das biblische Beispiel dafür
ist der so genannte reiche Jüngling.
Was das bei Ihnen persönlich ist, darüber
will nicht von hier aus spekulieren. Ich kenne bei mir ein paar solcher Dinge,
die immer wieder drohen, Besitz von mir zu ergreifen mich vom Reich Gottes
abzulenken. Den Computer und seine Möglichkeiten beispielsweise. Wenn er mich
tatsächlich anbinden sollte, dann wäre es wirklich angezeigt, ihn rauszuwerfen.
Andererseits kann ich ihn auch für das Reich Gottes gebrauchen. Zum Beispiel
habe ich diese Predigt mit diesem Hilfsmittel geschrieben.
So werden wir immer wieder abwägen müssen,
was wir ganz wegtun und was wir ganz in den Gebrauch für Gott bringen können.
Bei der Predigtvorbereitung war mir die
folgende Frage eine Hilfe: Kann ich von mir sagen, dass das Reich Gottes das
Eine in meinem Leben sein soll, das höchsten Rang und höchste Zugkraft
hat? Und sind dann die andern Dinge wirklich die andern Dinge? Kann ich
also das eine und die andern unterscheiden?
Und dann die darauf folgende Frage: Wie kann
dieses Andere dem Einen dienen, dem Reich Gottes entsprechend gebraucht
werden? Meine Zeit? Meine Liebe? Meine Beziehungen?
Meine Ehre? Manche gab es schon, die haben
sich mutig zum Glauben bekannt und sind daraufhin von andern verlacht worden.
Sie haben sozusagen ihre Ehre verkaufen müssen. Andere haben Ehre bekommen, weil
sie für christliche Werte eingetreten waren. Auch hier kann es so oder anders
gehen.
Zum Schluss möchte ich nochmals in diese
beiden Gleichnisse Jesu schauen und feststellen: Sie formulieren nicht nur eine
Forderung. Es heißt da nicht, dass wir alles loslassen müssen.
Vielmehr steht da: Gott lässt sich finden!
Ob ungewollt wie bei dem Schatz im Acker oder ob mit aufwendiger Suche wie bei
der Perle. Gott lässt sich finden! Und dann müssen wir nicht loslassen, sondern
wir können loslassen, weil das Ziel es lohnt. Wie hieß das bei dem, der den
Schatz gefunden hat? In seiner Freude ging er hin und verkaufte alles!
Solche Freude am Himmelreich können wir uns im Umgang mit unseren Gütern nur
wünschen! Amen.