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Predigt zum Sonntag Reminiszere
Reihe I
Markus 12,1-12 Gleichnis von bösen Weingärtnern
Thema:  Von der Sünde und Sündenerkenntnis zur Erkenntnis

Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach
gehalten am 16.03.2003 in Rohrbronn und Hebsack   
 

Liebe Gemeinde

Liebe Gemeinde in Rohrbronn/Hebsack,

Deutung parallel zum AT

haben Sie die Parallelen zur Schriftlesung vorhin wahrgenommen? - Weinberg - Weinbergbesitzer wird beschrieben - Weinbergbesitzer meint es gut - Weinberg bringt ihm keine Frucht - dem Weinberg geht es am Ende schlecht

Und im Gleichnis bei Jesaja wird Deutung gleich mitgeliefert: „Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Mauer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing.“

Nun erzählt Jesus im Markusevangelium erneut  ein Gleichnis vom Weinberg. Und die Adressaten waren, wie es Mk. 11,27 (kurz vorher) heißt, die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten, also die, die im Volk das Sagen hatten die sich in der Bibel auskannten, weil sie das studiert hatten.

Die kannten natürlich das Gleichnis von Jesaja und so verwundert nicht, dass Markus zum Gleichnis Jesu abschließend erzählt: „sie verstanden, dass er auf sie hin dieses Gleichnis gesagt hatte.“

Damit ist die Deutung also schon klar gestellt: Der Weinberg ist das Volk Israel, die Weingärtner dort sind die politisch und religiös Verantwortlichen, die Gottes Boten eins ums andere Mal ablehnen und sogar töten. Die ersten Boten, das waren die Propheten wie Amos oder Jeremia, die, wie erzählt wird, in Kerker gesteckt oder außer Landes gewiesen wurden. Schließlich schickt Gott seinen Sohn. Und was machen die Weingärtner mit dem? Selbstverständlich: Sie werden ihn umbringen. Jesus erzählt mit dem Gleichnis davon, dass sein Tod am Kreuz für seine Gesprächspartner beschlossene Sache ist.

Deshalb ist es ja auch ein klares Passionsgleichnis, deshalb ist es heute in der Passionszeit Predigttext.

Übertragung auf heutige religiöse Führer

So klar dieses Gleichnis ist, so klar ist es für uns erledigt. Es hat einen eindeutigen Sitz in der damaligen Situation, im Gespräch mit denen, die Jesus umbringen wollen. Wir sind in einer anderen Situation, Jesus ist nicht leibhaftig unter uns. Es steht nicht zur Frage, ob wir ihn kreuzigen.

Wollte man dieses Gleichnis dennoch in die Gegenwart übertragen, dann wären als Gesprächspartner Jesu unsere Politiker, noch mehr aber  unsere Bischöfe, Oberkirchenräte und Pfarrer, zu benennen. Auf Ortsebene sind das noch die Kirchengemeinderäte, vielleicht auch Gruppenleiter. Das sind die, die gewissermaßen beauftragt sind, als Weingärtner für den Weinberg zu sorgen.

In der Übertragung des Gleichnisses  wäre nun Kirchenschelte zu betreiben: Wer wirft heute die Propheten Gottes, die Boten Gottes aus der Kirche? Wer verhindert durch seine Theologie und durch sein organisatorisches Verhalten, dass Jesus in der Kirche ankommt? Wer sind die religiösen Leiter, die heute Jesus kreuzigen?

Würden daraus Anklagen, dann müsste ich hier und jetzt gegen mich selber predigen. Ich bin zwar nicht Gemeindepfarrer, aber ich gehöre als Pfarrer z.A. zur Amtskirche und zu dem Berufsstand der Theologen, der mit dieser Übertragung ins Schussfeld rückt.

Es wäre ein Widerspruch in sich selbst, wenn ich als Amtsträger der Kirche hier Kirchenschelte betreiben wollte. Interne Kritik muss sein, aber sie gehört an andere Orte. Was ich eigentlich jetzt machen muss, ist aufhören zu predigen und Sie dieses Gleichnis deuten zu lassen! Wenn ich das Wort an Sie weitergebe, wollten Sie dieses Gleichnis gerne für die Gegenwart deuten? Ich lade Sie dazu ein! Wie sehen Sie unsere Kirche, ihre Verantwortungsträger? Stehen sie dem Glauben im Weg? Werden in unserer Kirche die Propheten ausgewiesen? Wird der Geist Jesu abgetötet? Es muss ja nicht sein, vielleicht fallen Ihnen Gegenbeispiele ein. Trotzdem kann es so sein, dass christliche religiöse Leiter Jesus verwerfen, in Worten oder in Taten.

- Schweigen –

Nun, ich denke, es ist nicht so, dass wir abgesehen von Kirchenschelte keinen Gewinn aus dem Gleichnis entnehmen können.

Ich will Ihnen noch eine andere Deutungsebene anbieten. Wir entfernen uns damit zwar nicht nur zeitlich, sondern auch bildlich noch etwas weiter vom Gleichnis, aber wir rücken uns dabei näher. Sagen wir, das Gleichnis rückt uns persönlich dabei näher.

Die Frage will ich uns stellen, wo wir die Pharisäer, Schriftgelehrten und Leiter unserer selbst sind. Ist es nicht immer wieder so, dass wir uns selbst vom Hören auf die Propheten Gottes abhalten? Dass wir sie hinauskomplimentieren?

a) Mir fällt dazu Verschiedenes ein: Ein typischer Trick ist, die biblische Botschaft von uns weg zu schieben mit dem Argument, dass das ja damals eine andere Zeit war und dass wir es völlig neu definieren müssten.

b) Oder die prophetische Evangeliumsbotschaft wird von uns hinausgeworfen mit dem Hinweis darauf, dass es doch praktisch nicht umsetzbar sei, was da verkündigt wurde. Die Sache mit den Forderungen Jesu beispielsweise aus der Bergpredigt. „Die Feinde lieben kann ich von vornherein nicht,“ höre ich das manchmal trotzig sagen mit dem Unterton: „und also will ich auch nicht.“ „Was ich nicht perfekt kann, das will ich gar nicht probieren.“ „Solange ich von Jesus nichts sicheres weiß, will ich auch nicht glauben!“

c) Oder auch ganz philosophisch wird öfter argumentiert: Gott sei wie der Weinbergbesitzer im Gleichnis einer, der außer Landes sei. Er habe die Erde geschaffen, aber nun folge die ohne sein Eingreifen den Naturgesetzen. Man solle also Gott nicht mit Gebeten bestürmen, es passiere alles sowieso wie es komme. Gott ist als Denkrahmen gerade recht, aber in meinen Alltag soll er nicht hineinregieren.

All das sind Möglichkeiten, Gott draußen zu halten aus dem persönlichen Alltag. Gott einen guten Mann sein zu lassen. Aber es sind Möglichkeiten, die genau das tun, was im Gleichnis erzählt wird: Sie vernichten das Evangelium, sie sperren die Propheten aus und sie kreuzigen Jesus. Ich kreuzige Jesus immer wieder. Zu dieser Selbstschelte komme ich bei der Lektüre dieses Gleichnisses.

In traditioneller Sprache ist solche Selbstschelte die schlichte Erkenntnis: „Ich bin ein Sünder.“ Ich bin einer, der in seinem Leben immer wieder Gott nicht Gott sein lässt. Einer, der Gott einen guten Mann sein lässt.

In unseren Modernen Zeiten hat solche Erkenntnis etwas unmodernes. Sündenbekenntnisse wirken sich negativ aus auf das Image. Auf Sünde hinzuweisen gilt als Anstoß, Menschen das Leben madig zu machen.

Hier denkt freilich die Bibel völlig anders. Die Erkenntnis der Sünde, diese Selbstschelte, die hat einen positiven Klang als Schlüssel zur Befreiung. Sie ist der Schlüssel zur Befreiung von der Gottlosigkeit.

Während der Weingärtner, der sich für fehlerfrei und mächtig hält, Gott einen guten Mann sein lässt und Gottes Sohn ablehnt, gewinnt der Weingärtner, der seine Grenzen kennt und seine Sünde wahrnimmt, eine Offenheit für Gottes Macht und in Jesus einen starken Helfer. Der Weinberg des Überheblichen vergeht, aber wer am Weinstock Jesu Christi bleibt, der bringt Frucht - um an ein Wort vom Weinstock anzuknüpfen, das uns von Jesus übermittelt wird (Joh. 15,5).

Eckstein

Damit komme ich nun auch noch zum Glanzpunkt unseres Predigttextes, den ich bisher noch gar nicht angesprochen hatte. Da ist nicht alles negativ und mit schlechtem Ausgang in diesem Gleichnis. Da sind nicht nur böse Weingärtner und sterbende Propheten, sondern da ist das Wort von Jesus, dem Eckstein.

Jesus bezieht ein alttestamentliches Psalmwort auf seinen Weg ans Kreuz und seine Auferstehung: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen!“

Aus all dem Negativen kann Gott doch Gutes machen. Aus Tod wird Leben. Aus dem Verachteten wird der Verehrteste. Wer glaubte, mit Jesu Tod  wäre ein kleiner Unruhestifter aus der Welt geschafft worden, der musste sich eines besseren belehren lassen, weil kein Mensch nach ihm von so vielen Menschen verehrt wurde, gar göttlich verehrt wurde.

Auf Jesus baut ein neuer Glaube auf. Eine große, wachsende und seit Jahrtausenden lebendige Kirche. Der achtlos weggeworfene Stein ist zum Grundstein geworden. Zum Fundament.

Deshalb kann die Selbstschelte und Sündenerkenntnis so enorm positive Wirkung entfalten, weil dort das Wunder der Entdeckung  der ganz anderen Art Jesu passiert.

„Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, sagte Jesus. Aber es ist in dieser Welt.

Mit einer kleinen Wundergeschichte möchte ich das aufgreifen. Es geht da auch um einen Stein, der weggeworfen wird und aus dem Großes entsteht.

Mit Gottes Möglichkeiten ist es so wie bei einem Kirschstein, den einer verärgert über dessen Härte ausspuckt und an den Rand der Straße kickt. Er wird in den Boden getreten. Dort wächst ein Keim, und drückt sich aus dem Boden heraus, wächst höher und höher hinauf. Es wird ein mächtiger Baum, so stark, dass die Menschen,  die jetzt dort ein Baugebiet planen, beschließen, dass der Kirschbaum bleibt und die Häuser drumherum gebaut werden. Jetzt spielen dort im Sommer die Kinder und freuen sich über viele kleine Früchte, die ihnen der starke Baum in seinem Schatten bereithält.
Unser Eingeständnis, dass wir Sünder sind und Jesus brauchen, das kann uns öffnen, dass Same von ihm in uns hineinfallen kann und ein starker fruchtbarer Glaube entsteht. Das wünsche ich uns. So einen Glauben wünsche ich auch unserer Kirche und unserem Land. Wenn das auch Ihr Wunsch ist, dann sprechen oder denken Sie mit mir: So sei es! Amen.

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