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Predigt zur Sommerpredigtreihe "Säen - Wachsen - Reifen - Ernten"
Thema 4: Ernten 

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 11.07.2004 in Hemmingen

Schriftlesung: 2. Mose 23,10-16 

Liebe Gemeinde, das Korn ist reif, und bis zu Mais und Trauben ist es doch noch eine ganze Zeit hin. Erst am 3. Oktober werden wir den Erntedank feiern.

Erntezeit ist Festzeit

Wie wir vorhin in der Schriftlesung gehört haben, war in Israel diese ganze Zeit vom Anfang der Ernte bis zum Schluss eine von Festen gerahmte Zeit, eine Festzeit. Und der Sabbat, bei uns der Sonntag, gehört in diesen Zusammenhang. Dann wird genossen, was gewachsen und gereift ist.

Nach dem Säen, dem Wachsen und Reifen kommt das Genießen. Erntezeit ist festliche Zeit. Ein Wagen voller Frucht ist des Bauers Stolz und es macht einfach ein gutes Gefühl, den Ertrag der Arbeit eines Jahres einzubringen.

Ich erinnere mich gern an die Erntezeit in meiner Heimat im Remstal. Das „Herbsten“, also die Weinlese, war immer so etwas wie eine dauerndes Festle, denn man traf dabei täglich die ganze Verwandtschaft im Wengert, man machte Vesper über Mittag und am Abend, man klopfte Sprüche und freute sich über jedes Öchsle-Grad, das gemessen werden konnte.

Passend dazu kommen wir ja gerade in der Gemeinde auch von einem Fest her: Auch ein Gemeindefest wie unser Kirchturmfest am letzten Sonntag ist so etwas wie ein Erntefest. Die langen Vorbereitungen werden belohnt dadurch, dass viele dabei sind und die Stimmung gut ist. Das Leben der Kirchengemeinde, das das Jahr über in Vielem intern abläuft, wird an dieser Stelle festlich in die Öffentlichkeit gebracht. Ein Tag wie dieser ist Anlass, Gott für seine Gaben zu danken, die er den Menschen in unserer Gemeinde gibt und die er bei uns Früchte tragen lässt.

Ernten und Feste gehören also zusammen. Ernten macht Freude. Das gilt beim Gemeindefest, das gilt draußen auf den Feldern und das gilt auch persönlich, wenn wir für gute Arbeit Anerkennung und Lohn ernten. Säen, Wachsen und Pflegen macht Mühe, Ernten macht Freude.

Ernten für mich?

Aber halt! Bei der Vorbereitung habe ich gemerkt, dass wir gerade in der Kirche aus der Ernte oft ein Problem machen. Der bekannteste Satz Jesu zur Ernte tut das auch, wenn er sagt (Mt.9,37-38): Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende. Allerdings passt diese Stelle nicht zu unserem Reihenthema, weil es hier nicht um den Weg bis zur Ernte geht vom Säen über das Wachsen und Reifen. Wenn man vom Säen herkommt, dann ist die Ernte auch noch einmal viel Arbeit, aber das große Geschäft war in der langen Zeit vorher.

Ich möchte heute beim Zusammenhang unserer Reihe bleiben. Dann ist die Ernte das Ziel des Weges, der durch Säen, Wachsen und Reifen beschrieben wurde. Es geht um die Ernte, die wir einfahren auf Grund dessen, was wir vorher getan haben.

Da geht es nicht um die Arbeiter, wir denken an die Frucht, die wir erhalten und trotzdem machen wir ein Problem daraus. Da kann es uns verdächtig vorkommen, wenn einer viel hat, oder wenn einer Erfolg hat, oder wenn einer sich freut an seinem Erfolg.

Da heißt es dann schnell, dass man am reich gedeckten Tisch doch bitteschön auch an die Armen denken soll, die nicht so viel zu essen haben. Oder es heißt, dass man von Erfolg nicht reden dürfe, weil ja doch wohl keiner sich etwas selbst zuschreiben könne, wo doch alles von Gottes Gnade abhängig sei.

Aus solchen Vorbehalten haben sich bei vielen Christen kleine innere Verbieter entwickelt, die uns gleich bei der Ernte, bei Lohn, bei Erfolg oder Anerkennung einflüstern: „Bild dir nur nichts ein! Du hast das Lob der andern nicht verdient, Gott hat dir die Begabung ja gegeben!“ Oder: „Wenn du jetzt so viel hast, dann denk auch mal an die, denen es nicht so gut geht!“ Oder auch das: „Diesmal ist es ja gut, aber du weißt nie, wie es weitergeht.“ Diese Stimmen können leicht ein schlechtes Gewissen machen ...

Diese feinen Stimmen haben natürlich recht, wenn man die Sache global und allgemein ansieht. Natürlich ist Ernte-Reichtum mit Verantwortung verbunden, natürlich sind Gaben auch Aufgaben, natürlich sollen uns Erfolge nicht überheblich machen.

Wenn man das gleich in das Ernten hineinträgt, geschieht eine Vermischung: Aus dem Ernten wird gleich wieder weitergedacht zu anderem, Probleme des Säens und Wachsens werden gewälzt.

Mir ist daraus wichtig geworden, dass wir angesichts solcher innerer Verbieter uns das Ernten und die Freude daran wohl immer wieder ausdrücklich erlauben müssen. Ich möchte das heute stark machen, dass wir das Ernten an sich bedenken.

Und gute Frucht zu ernten, das ist etwas Schönes, etwas zum Genießen, etwas um sich zu Freuen – unabhängig davon, wie es weitergeht und auch unabhängig davon, wie viel es nun im Vergleich zu anderen Menschen oder anderen Jahren diesmal gegeben hat.

Dass es zum Beispiel in Freiburg jetzt Hagel gegeben hat, ist schlimm, aber soll uns die Freude an dem, was hier gewachsen ist, nicht wegnehmen.

Zum Thema Ernten könnte man viel sagen - ich möchte heute einmal etwas einseitig bei diesem Thema der Erntefreude bleiben und habe mir überlegt, dass ich diesen inneren Verbietern, die uns manchmal die Freude madig machen wollen, innere Erlauber entgegensetzen will, die uns sagen, dass wir uns ruhig über die Ernte auch einmal so richtig freuen können. Ich möchte Ihnen also ein paar kleine Stimmen geben, die uns bei der Ernte ins Ohr flüstern: Du darfst dich freuen! Es ist recht, dass du die Frucht ernten kannst! Es ist Gott recht, wenn du dich über Lob freust und wenn du merken kannst, dass deine Arbeit sich gelohnt hat.

„Du hast Gutes gesät, du darfst also auch Gutes ernten!“

Die Stimme des ersten Erlauber flüstert: „Du hast Gutes gesät, jetzt kannst du zu Recht auch Gutes ernten!“

Dieser Satz ergibt sich aus einem Pauluswort, das ich vor drei Wochen an dieser Stelle zum Säen besprochen hatte. Was der Mensch sät, das wird er ernten.

Es war mir damals an dieser Stelle wichtig, dass der Same die Art des Gewächses entscheidet. Die Menge dessen, was wächst,  die ist von vielen Faktoren abhängig, die wir häufig nicht beeinflussen können. Aber wenn wir von der Menge einmal absehen, dann gilt ohne Zweifel: Aber die Art, die wir säen, die werden wir auch ernten. Paulus schreibt: Was der Mensch sät, das wird er ernten. (Gal.6,7) Jesus sagt auch: Ein guter Baum bringt gute Früchte! (nach Mt.7,16-20)

Es kann sein, dass gott- und menschenfeindliche Mächte allerlei Unkraut neben unsere Saat säen, es bleibt trotzdem so, dass, wer Weizen sät auch Weizen erntet, und dass, wer Frieden sät, Frieden erntet und dass aus Liebessamen Liebe wird.

Auch wenn der Hagel hineinschlägt, wächst auf dem Weizenfeld Weizen und nicht Brennessel, nur wird die Weizenmenge eben beeinflusst.

Wenn wir also Liebe säen, wenn wir Hoffnung säen, wenn wir Glaubensgut aller Art säen, dann dürfen wir auch Glaubensfrüchte als Gabe erwarten.

Eine bestimmte Menge kann ich niemand versprechen, aber dass aus Gutem Gutes wächst, das ist so ein Naturgesetz, wie dass aus Weizen Weizen wächst.

. Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; sagt Paulus, denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten,wenn wir nicht nachlassen. (Gal.6,9)

Damit komme ich zu einer zweiten Stimme eines Erlaubers, der die Freude an der Ernte erlaubt:

„Freue dich einfach auch einmal irdisch!“

Manches, was uns die Freude madig macht an dem, was wir persönlich aus unserer Arbeit empfangen, hängt damit zusammen, dass wir Irdisches und Theologisches verwechseln oder wenigstens mischen.

Das passiert, wenn wir Erntemengen zu Gottes Gnade ins Verhältnis setzen oder auch, wenn wir einen Erfolg von uns weg schieben, als ob er nicht auch eine persönliche Leistung voraussetze.

Der Glaube hebt aber die Naturgesetze nicht auf. Vieles im Zusammenhang von säen, wachsen, reifen und ernten steht ganz einfach im Zusammenhang von irdischen Gesetzen, die Gott nicht laufend unterbricht.

Wenn zwei bei gleicher Begabung vor dem Abitur stehen und der eine lernt und der andere nicht, dann wird der, der lernt, die bessere Note bekommen. Und darüber soll er sich auch freuen können!

Oder wenn zwei Landwirte zwei Äcker beieinander haben mit gleich viel Regen und gleichem Boden, dann wird der, der das rechte Maß erwischt bei der Bearbeitung einen besseren Ertrag bekommen als der andere. Er soll sich über seine Leistung freuen können. Es ist gerecht, dass er guten Ertrag hat. Der Arbeiter ist seines Lohnes wert. So zitiert der 1. Timotheusbrief. Dabei regelt er irdische Verhältnisse, wo es um die Gemeinde in der Welt geht.

Wenn jemand an dieser Stelle das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg einfällt, die alle unabhängig von ihrer Leistung den gleichen Lohn erhalten, dann ist darauf hinzuweisen, dass dieses Gleichnis eben theologische Zusammenhänge erklärt. Mir ist eben das wichtig, irdische Gesetzmäßigkeiten und die Verhältnisse in der Beziehung zu Gott nicht zu verwechseln.

So sollen wir ruhig ernten und uns freuen über das, was uns im Leben gelingt. Wir dürfen uns auch freuen, wenn wir erfahren, dass Arbeit sich lohnt und wir Ernte hier und da steigern können.

Vielleicht ist das eine harmonische Beziehung in der Ehe, in die viel Beziehungsarbeit investiert wurde. Vielleicht ist das ein Erfahrungsschatz, den die Bewältigung vieler Lebenssituationen in einem angelegt hat.

Manche nennen heutzutage das Alter die Zeit der Lebensernte. Im Ruhestand soll der Mensch dabei im Idealfall das genießen können, was er angespart hat. Nicht nur finanziell, sondern auch an Wissen, an Interessen, an Charakter und – wie ich meine – auch an Vertrauen in Gott. Die Alternswissenschaftler sagen, dass der Mensch im Grunde auf die Weise alt wird, wie er sie lebenslang eingeübt hat.

Das ist so unter uns Menschen, das ist sozusagen irdische Gesetzmäßigkeit. Wir dürfen das nicht mit der Theologie mischen. Nicht selten sind uns ja auch Menschen im Fleiß oder in der Nächstenliebe voraus, die gar nicht im Glauben stehen.

Wir sollten als Christinnen und Christen und als Kirche ruhig immer wieder diesen Erlauber hören, die uns erlaubt, dass wir uns irdisch freuen, wo uns etwas gelungen ist. Gott hat es so eingerichtet, dass gute Arbeit auch guten Erfolg gibt, weil aus Weizen eben Weizen wird und aus zwei Weizenkörnern zwei Weizen werden können.

Freue dich, weil deine Freude Gott freut!

Ein dritter Erlauber der Freude an den Erntegaben flüstert: „Freu dich, weil deine Freude Gott freut!“ Gott will, dass Menschen Grund zur Freude haben. Im Prediger Salomo heißt es so schön: .Ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei allen seinen Mühen, das ist eine Gabe Gottes (Pred.3,13).

(Jetzt gehe ich erst einmal und schlotze ein bisschen Eis ...)

Dass Gott seinem Volk Feste gibt, wie wir vorhin gehört haben, dass Jesus mit den Menschen Tischgemeinschaft feiert, all das sind Orte für Freude vor Gott. Wir werden nachher auch im Abendmahl die Tischgemeinschaft mit Jesus feiern.

Wir werden uns nicht immer und andauernd freuen können. Aber beim Thema Ernten gibt es Grund zur Freude und bei der Ernte dürfen wir uns aus vollem Herzen freuen und ein Fest dazu feiern. Auch das gilt nicht nur für die Ernte draußen, sondern auch bei Erfolgen, die wir sonst feiern dürfen. Ich denke, dass es recht ist, wenn sich in diesen Tagen die Griechen freuen, auch wenn die Portugiesen sich ihrerseits gerne gefreut hätten.

Übergang irdisch - theologisch

Die drei bisher erwähnten inneren Erlauber der Freude haben zwar im Angesicht Gottes argumentiert, aber doch die irdische Freude über irdische Ernte-Erfolge zum Thema gehabt.

Zum Schluss will ich noch eine Stimme reden lassen, die uns zu theologischer Freude einlädt. Im Glauben haben wir etwas,  was zum Irdischen noch hinzu kommt, was uns auf eine Ernte über die Ernte im Diesseits hinaus hoffen lassen kann. Und auch darüber dürfen wir uns heute schon hier auf Erden von Herzen freuen.

„Freue dich vom Himmel her“

In Lukas 6,23 sagt Jesus: Freut euch an jenem Tage und springt vor Freude; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel.

Wir leben als Christen mit der gleichen irdischen Freude wie die Menschen um uns herum auch. Aber wir dürfen noch dazu wissen, dass die Freude an der Ernte nicht vorbei ist mit unserem Tod, sondern dass es eine ewige Freude gibt bei Gott.

Daraus kann auf Erden Freude gegen den Augenschein werden. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten, hieß es vorhin im Psalm.

Paul Gerhardt geht in dem bekannten Lied „Geh aus, mein Herz“ aus von der irdischen Freude an den Bäumen, der Lerche, der Glucke und so weiter. Sein Gedankengang führt dann zu dem Schluss, dass es bei so viel irdischer Freude im Himmel ja noch mehr Freude geben muss.

Von dieser Vorfreude lässt er sich dann anstecken zu dem Gedanken, schon heute einen Erntesegen vom Himmel her zu erhalten. Er bittet: „Gib, dass der Sommer deiner Gnad in meiner Seele früh und spat viel Glaubensfrüchte ziehe!“ Glaubensfrüchte – geistliche Ernte.

Wenn ich dann wieder Paulus nehme und nach Glaubensfrüchten suche, dann stoße ich auf Galater 5,22: Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue und so weiter.

Ist Ihnen in dieser Liste der Geistesfrüchte, diesem geistlicher Erntekorb also, etwas aufgefallen? Die Freude war wieder dabei! Die Freude gehört zu den Früchten, die Gott schenkt. Gott selbst ist nicht nur ein innerer Erlauber der Freude, sondern der universale Geber der Freude. Er will, dass wir uns freuen können über das, was er uns an gutem schenkt.

Schluss

Das Ernten der Früchte läuft also immer wieder auf die Freude hinaus, irdisch und geistlich.

Wir sollten uns die Freude erlauben, wir dürfen die Ernte genießen als Erfolg unserer Arbeit und unseres Lebens und als Gabe Gottes. Lasst uns mit Freuden ernten. Amen.

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