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Predigt zur Sommerpredigtreihe "Säen - Wachsen - Reifen - Ernten"
Thema 2: Wachsen 

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 27.06.2004 in Hemmingen

Schriftlesung: Mk.4,26-32 

Wachsen ist ein Thema, das uns gegenwärtig viel beschäftigt, liebe Gemeinde! Ich will dieses vielfältige Thema in zwei Teilen angehen. Vor dem kurzen zweiten Teil werden wir dazwischen dann ein Lied singen.

Wachsen ist Thema!

Die Wirtschaft meldet jeden Tag, wie das Wachstum steht und sie vermittelt dazu, wie wichtig Wachstum ist: Stillstand ist Rückschritt.

Auch unsere Kirche beschäftigt sich mit dem Wachsen. Man will dem Trend zum Schwinden etwas entgegensetzen. Es stimmt auch nicht, dass es überall immer nur weniger wird. Die Landessynode hat sich für ihre nächste Tagung das Thema „wachsende Kirche“ vorgenommen. Am Samstag, 10. Juli, findet im Rahmen der nächsten Sitzung ein öffentlicher Schwerpunkttag zu diesem Thema in der Stiftskirche in Stuttgart statt.

Wachsen ist Thema Jesu!

Wachstum ist seit Jesus ein Urthema der Christenheit. Jesus hat sich dabei besonders der Beispiele aus der Landwirtschaft bedient. Heute greife ich darauf besonders gern zurück, weil wir einen Sonntag in Verbindung mit der Landwirtschaft feiern und die Erntebitte in diesen Gottesdienst integriert haben.

Vorhin schon haben wir zwei dieser Gleichnisse Jesu vom Wachsen gehört. Der kluge Bauer ist darin das Beispiel für Gott, dessen Reich wächst. Aus einem winzig kleinen Samen wird ein Baum, oder aus vielen kleinen Samenkörnern wird ein Feld voller Halme und Ähren.

Der kluge Bauer weiß dabei, dass er ganz viele Dinge richtig oder falsch machen kann, dass er das eigentliche Wachsen aber nicht selbst macht. Er hegt und pflegt und sorgt dafür, dass die Bedingungen für gutes Wachstum stimmen. Wachsen müssen die Pflanzen dann selbst, oder, sagen wir es im Glauben: Das Gedeihen muss Gott geben.

Der kluge Bauer

Der kluge Bauer weiß also den Unterschied zwischen dem, was er machen kann und dem, was er lassen muss. Das Lassen gehört dazu. Zu viel ist eindeutig ungesund. Zu viel pflügen trocknet den Boden aus, was gerade in Jahren wie diesem nach der Trockenheit im letzten sehr schädlich sein kann. Zu viele Insektizide beeinträchtigen auch die Nützlinge. Und so weiter. Der kluge Bauer weiß um das Miteinander von Wachsen lassen und Bewirtschaften.

Genau dieses will Jesus in seinen Gleichnissen auch für das Reich Gottes deutlich machen. Eine Kirche, die wachsende Kirche sein will, muss wirtschaften und machen, und andererseits auch lassen. wird deshalb gut daran tun, vom klugen Bauern zu lernen.

Die Kirche wie der kluge Bauer

Da ich in dieser Woche bei der Felderrundfahrt  des Ortsbauernverbandes dabeisein durfte, wurde mir einiges wieder ganz eindrücklich, was ich zum Teil von den Bauernhöfen meiner Großväter kannte, in den Dimensionen hier in Hemmingen aber noch einmal ganz anders erlebe.

Ich will einmal drei Beispiele von dem herausgreifen, was die Kirche vom klugen Bauern lernen kann, so wie es auch Jesus in seiner Reich-Gottes-Botschaft sagt.

1. Der Bauer überlegt sich gut, was er wo anbaut

Was wo hingehört auf der Flur, das ist eine Wissenschaft für sich. Bauern in unseren Tagen müssen wissen, was für einen Boden sie haben, wie viel Regen etwa fallen kann, was im vorigen Jahr gestanden hat, was auf dem Markt abgenommen wird, und so weiter.

In dem bekannten Gleichnis Jesu vom Sämann kommt das auch etwas vor: das vierfache Ackerfeld bietet viererlei unterschiedliche Bedingungen.

Für die Kirche heißt das, dass sie sich klar machen muss, mit wem sie es zu tun hat, wenn sie den Samen des Wortes Gottes ausstreut. Es ist heute nicht mehr so, dass einem als Kirche überall alles abgekauft wird, wenn man es sagt, wie man es immer schon gesagt hat.

Kirche muss heute viel mehr noch von Paulus lernen, der den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche werden wollte. Die Botschaft Jesu, das Evangelium, muss in einer jeweils geeigneten Weise auf den jeweiligen Boden ausgesät werden. Jugendliche wollen mitreißende Musik, sind heiß auf ein Camp wie das Konfi-Camp in zwei Wochen. Junge Erwachsene wollen den intensiven Austausch in kleinen Gruppen. Gutbürgerliche erwarten Gediegenheit, Alternative erwarten Experimente. In alledem kann das Reich Gottes wachsen, wenn die Sorte für den Boden gut überlegt ist.

Ich möchte Sie übrigens gerne ermutigen: Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie zu einer bestimmten Sorte Boden gehören, der in Hemmingen nicht bebaut wird, dass Sie sich dann bemerkbar machen und das einfordern.

2. Der Bauer wartet auf die rechte Zeit

Als wir durch die Felder gefahren sind, wurde auch über den Umgang mit Unkraut diskutiert. Es gibt Gewächse, die der Kulturpflanze Nahrung entziehen und ihren Wuchs hemmen.

Dabei wurde erklärt: Eine kleine Durchsetzung mit Unkraut kann man auch großzügig übergehen. Es gibt aber Fälle, wo man den Handlungsbedarf erkennen muss. Da gibt es eine Pflanze, die, wenn man sie sich entwickeln lässt, aussamt, dann werden daraus hunderte und tausende. Der Landwirt muss also merken: Jetzt ist es wichtig, dass ich etwas tue, und dann auch noch zur rechten Zeit, nämlich wenn die Pflanze gut erkannt wird und gleichzeitig der Same noch nicht reif ist.

Auch mit dem Reich Gottes ist es so, dass es immer wieder bedeutet, auf den rechten Augenblick zu warten. Jesus hat immer wieder davon gesprochen, dass zum Beispiel „seine Zeit“ noch nicht gekommen sei.

Eine wachsende Kirche wird nicht auf Grund ihres eigenen Zeitplans und ihrer eigenen Zukunftspläne wachsen, sondern wenn sie zur rechten Zeit zu den Zukunftsplänen der Menschen etwas zu sagen hat.

Oft ist es für die Menschen wichtig, wenn sie gerade in einer Veränderung stecken oder glauben, dass eine kommen muss, dass sie dann den Impuls erhalten, im  Leben mit Jesus Christus zu rechnen und mit ihm Veränderungen anzugehen.

So eine rechte Zeit kann eine schwierige Krise sein, aber auch eine freudige Zeit. Deshalb ist es gut, wenn wir als Kirche Menschen in schwierigen Zeiten begleiten bis hin zum Sterbebett und zur Bestattung, aber auch zur Geburt und zur Hochzeit. Wir brauchen auch sonst wie der Bauer das Gespür für den rechten Zeitpunkt, wo die Botschaft von Jesus Christus Kreise ziehen soll.

3. Der Bauer weiß, dass es keine Perfektion gibt

Während in vielen Berufen in unserer Zeit die absolute Perfektion angestrebt werden muss, weiß der Bauer von vornherein, dass sein Ergebnis nie perfekt sein wird.

Es gibt gute und sehr gute Jahre, aber keine idealen. Und immer wieder schlechte und schwere. Die Schädlinge sind da, das Wetter ist nicht zu beeinflussen, jede einzelne Pflanze ist wieder anders.

In Jesu Gleichnissen von Bauern ist auch eines, bei dem Unkraut unter dem Weizen ist. Damit muss man leben, auch in der Christenheit. Wer alles Unkraut entfernt, zerstört auch gute Frucht.

Ich glaube, dass eine Kirche sich nicht blenden lassen sollte von Idealen, die mancherorts propagiert werden. Wir sind als Kirche nicht im Idealzustand. Wir wollen wachsen, einladend sein und immer noch mehr Liebe für die Menschen haben, aber wir werden uns in dieser Richtung ausstrecken als Institution, die ihre Grenzen hat. Auch unsere Gemeinde hat ihre Stärken und Schwächen. Sie hat auch keinen idealen Pfarrer und keinen perfekten Kirchengemeinderat.

Wir leben und arbeiten unter den Bedingungen, wie wir sie hier am Ort haben. Wir tun gut daran, uns Ziele zu setzen und eine Idee davon zu haben, wie wir wachsende Kirche in Hemmingen sein können. Aber wir müssen auch daran denken, dass die Liebe das Ziel ist und nicht Perfektion.

Das ist Realitätssinn, wie ihn der Bauer hat: Nicht nach dem Ertrag auf andern Feldern schielen, sondern die Bedingungen dafür optimieren, dass auf dem eigenen Feld viel wachsen kann. Darauf kommt es an. Darüber sollten wir ins Gespräch kommen. Das andere ist dann nicht unsere, sondern Gottes Sache. Wir sollen anpacken und das Unsere tun, auch wenn es nicht perfekt ist und dann Gott vertrauen, dass er das Gedeihen gibt.

Was der Bauer von der Kirche lernen kann

Nicht vergessen sollten wir dann noch etwas, was wir von manchen Bauern lernen können, was aber auch mancher Bauer von der Kirche lernen kann: Dass wir nämlich dann auch danken für das, was wir nicht allein gemacht haben, sondern was Gott wachsen ließ.

Wir Menschen leben in allem von Gott, und im Wachstum ganz und gar. Für alles, was wächst, gehört Gott ein herzliches Danke!

Ein solches Danke miteinander singen: Ach, mein Gott, wie wunderbar, stellst du dich der Seele dar! Drücke stets in meinen Sinn, was du bist und was ich bin. (Strophe 6 vom Lied 504)

 

Unterbrechung durch das Lied

 

Liebe Gemeinde,

ich will nach dem Blick auf das Wachstum der Kirche noch auf eine persönlichere Seite des Themas kommen: Das Wachstum im Glauben. Ich kann mich freilich kürzer fassen, da diese Thematik eng mit dem Thema „reifen“ zusammenhängt, dem wir uns dann am nächsten Sonntag zuwenden.

Im Konfus haben ein paar von euch Konfis ein paar Stichworte aufgeschrieben zu Dingen, die wachsen: Es wächst, was lebendig ist. Pflanzen wachsen, Tiere wachsen, Menschen wachsen. Auch die Wirtschaft wächst, jedenfalls wünscht man sich das.

Menschen wachsen, darauf will ich jetzt noch hinaus,  liebe Gemeinde, - liebe Gemeinde der Wachsenden, will ich heute sagen!

Wer von uns wächst? Die Kinder, die Jugendlichen, ihr Konfis, daran denken wir vielleicht zuerst.

Die Erwachsenen wachsen weniger, oder nur in Teilbereichen: Die Haare und Fingernägel wachsen, bei manchen der Bauch, bei andern die Glatze.

Immerhin, auch an unserem Leibe hört das Wachsen nie auf, so lange wir leben.

Denken wir dann aber noch weiter, so finden wir, dass es Wachstum nicht nur körperlich gibt. Wir wachsen zum Beispiel ein ganzes Leben lang an Erfahrung.

Letztendlich zählt im Leben nicht das Wachstum in cm, (obwohl das für mich ja gar nicht schlecht wäre - J) sondern das innere Wachstum.

Nicht die Halmlänge entscheidet, sondern wie die Ähre angelegt ist und wie sie durch die Körner gefüllt wird.

Bei der Felderrundfahrt war mir das besonders eindrücklich: Es war, glaube ich, Winterweizen und Wintergerste, die ganz gut dastanden und wo es darum ging, wie die Ernte nun vollends wird. Dabei wurde gezeigt, wie die Ähren angelegt wurden und dass es nun noch darauf ankommt, dass die Körner die Hülle auch ausfüllen. Nur kräftige Körner ergeben den erwünschten Ertrag. Steht die Zahl der Körner einmal fest, dann kommt es noch wesentlich auf deren Volumen an. Der Rahmen ist gegeben, es kommt dann sozusagen auf das innere Volumen an.

Das hat mir im Blick auf den Gottesdienst heute sehr eingeleuchtet: Unsere menschliche Hülle wächst und wird groß, das tut sie bei allen. Aber es kommt dann darauf an, dass das Korn darin sie auch ausfüllt.

Zur inneren Entwicklung des Glaubens will ich, wie gesagt, am nächsten Sonntag dann noch kommen. Aber die Richtung des Wachstums im Glauben findet man in der Bibel mit dem schönen Wachsstumsspruch von vorhin: Lasst uns wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus.

Wie kann man demnach im Glauben wachsen? Indem man sich auf Jesus ausrichtet, sich innerlich ihm entgegenstreckt, also nach Jesus fragt und danach, wie er geglaubt und gehandelt hat.

Als Beispiel für eine solche Orientierung an einem Ziel denke ich dabei, was die Pflanzenwelt betrifft, an die Sonnenblume. Sie wächst dadurch, dass sie sich immer nach der Sonne ausrichtet. Sie wächst nach oben, dem sonnigen Himmel entgegen und sie dreht sich den Tag über nach der Sonne. Pflanzt man sie hinter einen Schatten, dann wird sie nur noch höher, um das Sonnenlicht zu erreichen.

Die Geschichten, bei denen man sich erzählt, dass Menschen über sich selbst hinausgewachsen sind, das sind häufig Glaubensgeschichten.

Es ist auch im Glaubenswachstum sicher so, dass es geht, wie es auch der kluge Bauer weiß: Wir stellen unsererseits die Ausrichtung her und können uns um manche Kleinigkeit kümmern. Und das Wachstum kommt dann aus Gottes Hand.

Amen.

 

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