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Predigt zur Sommerpredigtreihe "Säen - Wachsen - Reifen - Ernten"
Thema 1: Säen 

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 20.06.2004 in Hemmingen

Schriftlesung: Lk.8,4-8 

Liebe Gemeinde,

keine Frage, die Gleichniserzählung vom Sämann durfte im Gottesdienst heute nicht fehlen. Wir haben sie vorhin in der Schriftlesung gehört, wie da Gott als Sämann erzählt wird, der Samen in Fülle ausstreut, auch wenn da manches nicht aufgehen wird, weil es auf die Straße fällt, oder unter die Dornen oder dorthin, wo die Ackerkrume dünn über dem Felsen liegt und die Trockenheit siegt. Der Sämann wird dennoch belohnt, denn das, was aufgeht, trägt Frucht: dreißig, sechzig, ja hundertfach.

Damit kommt in diesem Gleichnis schon so viel vom Wachsen und Ernten drin, und außerdem ist es so bekannt, dass ich zum Stichwort „säen“ und „Samen“ eine andere Bibelstelle in den Mittelpunkt stellen will.

Sie verbindet sich mit dem Gleichnis vom Sämann dadurch, dass in beiden Fällen das Wort Gottes mit dem Samen verglichen wird. In Lukas 8 (Vers 11) heißt es zum Gleichnis vom Sämann: „Das Gleichnis bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes.“

Hören Sie, was der erste Petrusbrief davon weiß! Ich lese die Verse 23 bis 25 im ersten Kapitel:

23 (Denn) ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt. 24 Denn »alles Fleisch ist wie Gras und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt und die Blume abgefallen; 25 aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit« (Jesaja 40,6-8). Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündigt ist.

In diesem Zusammenhang spielt die Samenmenge keine Rolle. Hier geht es um eine Samenqualität. Ganz ähnlich übrigens auch in Galater 6, Vers 7, wo Paulus schreibt: „Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Sät er Frieden, erntet er Frieden, sät er Misstrauen, erntet er Misstrauen.

Grundsätzlich ist es so, dass es beim Säen offen bleibt, wie sich die Menge des Gesäten entwickelt. Ob der Halm dreißigfach, sechzigfach oder hundertfach trägt.

Fest steht aber, was für eine Pflanze aus dem Samenkorn einmal werden wird. Die Art und die Qualität des Samens bestimmt die Pflanze, die daraus wächst. Im winzig kleinen Samen steckt die Information drin, die sich dann in einem großen Baum realisiert. Deshalb ist das Saatgut das Entscheidende. Will ich Weizen, dann muss ich Weizen säen.

Im Petrusbrief ist diese Qualität des Samens im Blick. Will ich im Leben Ewiges, dann muss ich ewigen Samen empfangen. Will ich Sinnvolles, dann muss ich Samen mit Lebenssinn empfangen. Was gesät ist, wird geerntet, aus zeitlichem Samen wird zeitliches Gewächs, aus dem ewigen Samen aber wird ewiges Leben.

Diesen ewigen Samen erkennt Petrus nach den Worten des Briefes im Wort Gottes. Das Wort Gottes kommt von Gott und nur was von Gott kommt, stiftet einen Glauben, der zu Gott führt. Als christlicher Glaube ist er aus dem Samen des Wortes Gottes entstanden.  Christen sind Menschen, die als natürliche Menschen aus Samen- und Eizelle geboren sind und die zusätzlich als gläubige Menschen wiedergeboren sind aus dem Samen des Wortes Gottes.

Manche können davon eine persönliche Geschichte erzählen, wie ein Wort Gottes irgendwann in ihrem Leben sozusagen in sie hineingesät wurde. Und dann hat es gewirkt und ist gewachsen und hat den Glauben bewirkt. Manchmal dauert es Jahre, und dann passiert etwas, wo einer sagt: Jetzt ist es mir klar, was mir damals gesagt wurde, z.B. im Konfirmandenunterricht.

Es gibt zur Konfirmation ja für jeden solche Samenkörner aus dem Wort Gottes, wenn einem ein Denkspruch auf den Weg gegeben wird. Ich habe schon öfter gehört, dass Leute sagten: Das hat mir damals gar nichts gesagt und ist mir dann sooo wichtig geworden! Es hat genau zu mir gepasst. Oder auch nicht – mancher Denkspruch fiel auf den Weg und andere Worte gingen dafür auf.

Diese Woche habe ich den Konfis die Aufgabe mitgegeben, einmal in ihren Familien nachzufragen, ob es dort vielleicht auch solche Samenworte gab, die prägend wurden. Kürzlich hatte ich bei einer Beerdigung eine Familie erlebt, dort war der Denkspruch der Mutter auch der der Tochter gewesen und so sollte dieser Spruch auch am Grab Mut machen.

Nun ist es so mit dem Samen: Dass daraus eine Pflanze keimt und wächst, das passiert typischerweise im Verborgenen. Gerade dieses Entscheidende, dass aus einem Samenkorn eine Pflanze wird, geschieht unsichtbar im Verborgenen. Die Samenkörner werden in die Erde gesteckt und irgendwann kommt die Pflanze heraus. Auch der Mensch entwickelt sich als Embryo aus dem Samen in der Dunkelheit der Gebärmutter. Wer sät, gibt den Samen in die Erde und muss dann warten, bis die Pflanze sich zeigt.

So, denke ich, ist das auch mit diesem Samenkorn des Wortes Gottes, von dem der Petrusbrief berichtet. Wie aus dem Samen ein Keim wird, das ist das verborgene Wunder des Glaubens.

Das Schöne daran ist, dass wir im Glauben darauf vertrauen können, dass, wie Petrus schreibt, aus unvergänglichem Samen unvergängliches wächst. Wenn ein Wort Gottes, das wir in uns haben, zu seiner Zeit aufgehen wird, dann wird es gute Frucht bringen. Wir dürfen darauf bauen, dass Gott keimen lässt, was wir als Samenkorn des Wortes Gottes ausstreuen, auch wenn wir es nicht sehen.

Viele Eltern oder Großeltern leiden darunter, dass sie so viel den Glauben vorgelebt haben und die Kinder so dabei waren und den Samen aufgenommen haben. Und dann gehen sie in der Jugend eigene Wege und man sieht nichts davon. Ganz oft findet man das in Glaubensbiografien, dass der Same aus der Kindheit oder Konfi-Zeit dann aber später sich gezeigt hat und eben nicht vergeblich war.

Ich möchte Sie einladen, einen Moment bei Ihren Erinnerungen zu verweilen: Wann wurde bei mir so ein Samenkorn wirksam? Welche Worte Gottes wurden in mich hineingesät, kürzlich erst oder lange schon? Oder wo habe ich beobachtet, wie ein Wort bei mir oder andern aufging und die Qualität des Samens sich zeigte?

Wir machen dazu eine meditative Pause und ich stecke ein paar Samenkörner hier vorne in diese Schale ins Verborgene. Vielleicht zeigen sie sich in den nächsten Wochen, so lange wir diese Reihe zum Säen und Wachsen haben.

Pause - Einsäen

Auch wenn man vom Samen nicht ohne das Keimen und Wachsen reden kann, will ich heute beim Anfang bleiben. Auch beim Anfang unserer Begegnung mit dem Glauben, die für die meisten von uns in der Kindheit stattfand. Vieles von unserem Glauben, das haben Sie vielleicht eben beim Nachdenken auch erinnert, wurde in unserer Kindheit und Schulzeit angelegt.

Kinder leben davon, dass sie übernehmen, was ihnen vorgelebt wird. Sie können es selbst nicht beurteilen und in normalen Familien brauchen sie das auch nicht, Papa und Mama leben ihnen vor, was wichtig ist. Gesunde Kinder erleben, dass sie dem vertrauen können, was ihre Bezugspersonen ihnen mitgeben. Kinder, denen von Gott erzählt wird, die können das dann auch von Gott so annehmen, dass er da ist für sie und ihnen gibt, was auf dem Tisch steht und was sie sonst so brauchen.

Das ist auch das, was Jesus an den Kindern rühmt, dass Kinder ein Urvertrauen haben in das, was ihnen gegeben wird. Jesus sagt (Markus 10,15): „Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ Kinder können rein empfangen ohne ans Geben zu denken. Sie können sich beschenken lassen  ohne an Gegenleistung zu denken.

Im ersten Petrusbrief geht es dann gleich nach den Versen zum Samen weiter mit einem Satz zu diesem kindlichen Verlangen: Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil. (das ist: 1.Pt.2,2)

Ich denke an nachher. Wir werden das Abendmahl miteinander feiern und dabei Brot und Wein empfangen. Bei solchem Empfangen tut es uns und unserem Glauben gut, wie Kinder sein zu können. Begierig nach der Gabe Gottes auch ohne dass wir alles davon verstehen. Gott will Gutes in uns hineingeben, mit den Gaben des Abendmahls  und mit dem Samen des Wortes Gottes. Wir dürfen das empfangen vom Vater wie Kinder, die die Hand aufhalten und große Geschenke erwarten. Neben dem Urvertrauen haben Kinder ein Urverlangen.

Ich habe mir dann noch die Frage gestellt: Wie ist das mit dem Kinderglauben oder mit dem kindlichen Glauben - Wenn Jesus den Glauben der Kinder rühmt, ist dann das kindliche Glauben das Ziel des Glaubensweges? Steht das aber nicht im Widerspruch dazu, dass wir als Kinder erst am Anfang einer Entwicklung stehen?

Meine Antwort fällt dazu vorsichtig aus, auch von der Bibel her:
Wir sollen dieses kindliche Empfangen-Können bewahren und doch auch weitere Schritte im Glauben machen. Würden wir beim Kinderglauben stehen bleiben, dann wären die Themen der nächsten drei Sonntage umsonst: Wachsen, reifen, ernten. Auch Paulus schreibt den Korinthern, dass er ihnen für den Anfang den Glauben einfach verkündigt hat, als Milch, wie man sie Kindern gibt (1Kor.13,2). Die feste Speise hätten sie nicht ertragen können. Paulus will aber offensichtlich, dass wir als Christen eine Entwicklung machen, die auch die feste Speise verdauen lernt und die Milch freilich immer noch mag.

Es wird also wichtig sein, dass wir uns an den kommenden Sonntagen auch dem Wachsen und Reifen zuwenden. Trotzdem soll in allem Wachsen und Reifen das Ursprüngliche des Samens bleiben. Wir werden in unserem Glauben so sein, wie es der Same ist. Davon sind wir vorhin mit dem Petrusbrief ausgegangen.

Und Kinder bleiben ja auch Kinder ihres Vaters und ihrer Mutter, wenn sie unterdessen älter und erwachsen werden. So bleiben wir Gotteskinder, die mit kindlichem Geist sagen können: Abba, lieber Vater! (Rö.8,15)

Dieser Vater ist der Sämann des Wortes Gottes. Auf dieses Wort bleiben wir als Kinder Gottes bezogen, auch im Wachsen und Reifen. Tief drinnen liegen in jedem von uns liegen die Samenkörner, die da aufgehen können. Wir dürfen dem Wort Gottes zutrauen, dass es keimt und wächst entsprechend dem, der es ausstreut: als ewiges Wort und bleibender Halt. Amen.  

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