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Predigt zum 16. Sonntag nach Trinitatis
Johannes 11
Thema: Marta mal anders: Das Ewige Leben 

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 27.09.2009 in Hemmingen

Liebe Gemeinde,

wer kennt sie nicht, die bekannte Geschichte von Marta und Maria, den beiden Frauen, bei denen Jesus zu Gast ist.

Diese Geschichte hat den Namen Marta so bekannt gemacht, dass es ihn heute noch gibt, meine Großmutter hieß so, 1899, als sie geboren wurde, stand der Name auf Platz zwei der beliebtesten deutschen Vornamen, in den Jahren danach auch auf Platz 1. Auch heute noch liegt Marta etwa auf Platz 130, noch vor so geläufigen Namen wie Melanie. International bekannt ist Marta heute als Weltfußballerin der letzten Jahre aus Brasilien …

Vor allem die Marta-Geschichte aus dem Lukasevangelium hat sie bekannt gemacht. Heute ist die andere Marta-Geschichte in der Bibel Predigttext, die nicht so bekannte, die mehr nach ihrem Bruder Lazarus benannte.

Aus der bekannten Geschichte aus dem Lukasevangelium kennen wir Marta als die Schafferin, die in der Küche hantiert und den Gastraum richtet und dann sauer wird, weil ihre Schwester nur hinsitzt und Jesus zuhört.

Deshalb kommt sie in der bekannten Geschichte im Vergleich zu ihrer Schwester Maria ein bisschen schlecht weg, weil die näher bei Jesus ist.

Die andere Marta-Geschichte aus dem Johannesevangelium ist theologisch aber viel anspruchsvoller und da fordert Marta Jesus zu einem der besten Sätze heraus, die wir von ihm haben. Und Marta ist die, die daran glaubt.

Genug der Vorrede. Ich will zunächst die Geschichte erzählen aus Johannes 11 und Teile davon aus der Lutherbibel vorlesen:

Erzählung

Maria und Marta hatten noch einen Bruder, Lazarus.

Die denkwürdige Geschichte fängt damit an, dass Lazarus krank ist und die Schwestern sich Sorgen machen. Aber sie erinnern sich an Jesus und schicken Leute los, die ihm von der Krankheit erzählen sollen.

Als die Boten zu Jesus kommen, wird deutlich, wie eng er den Geschwistern verbunden ist. Und er sagt gleich: „Diese Krankheit bringt Lazarus nicht um. Sie dient vielmehr dazu, dass sich Gottes Macht zeigen kann, dass er angebetet wird und der Sohn verherrlicht wird.“

Zunächst aber lässt sich Jesus gar nicht aus der Ruhe bringen und bleibt noch zwei Tage an dem Ort, wo ihn die Boten getroffen haben. Dann sagt er zu seinen Jüngern: „So, lasst uns jetzt nach Judäa ziehen und zu Lazarus nach Bethanien gehen. Lazarus, unser Freund, schläft, aber ich gehe hin, ihn aufzuwecken!“

Schon da lässt das Johannesevangelium beim Erzählen offen, wie Jesus verstanden werden will: Schläft er oder ist er entschlafen?

Als die Jünger sagen: „Wenn Lazarus schläft, wird es besser mit ihm.“, da sagt Jesus: „Lazarus ist gestorben! Aber es ist gut, dass ich nicht dort war, denn jetzt können wir hingehen und was passieren wird dient dazu, dass ihr glaubt!“

Die Jünger verstehen immerhin, dass es um Leben und Tod gehen soll.

An der Stelle möchte ich den nächsten Abschnitt vorlesen (Joh.11,17-27): Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen. 18 Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa eine halbe Stunde entfernt. 19 Und viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, sie zu trösten wegen ihres Bruders. 20 Als Marta nun hörte, dass Jesus kommt, geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen. 21 Da sprach Marta zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. 22 Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben. 23 Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. 24 Marta spricht zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage. 25 Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; 26 und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? 27 Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.

In diesem Abschnitt haben wir gehört, dass die Schwestern Maria und Marta gleich beschrieben werden wie bei Lukas: Marta ist die Aktive, die Zupackende, die, die handelt und losstürmt. Maria bleibt – wie in der andern Geschichte – sitzen.

Nach dem Abschnitt, den ich vorgelesen habe, kommt nun aber auch Maria ins Spiel: Marta geht nämlich zu ihr und flüstert ihr zu: „Der Meister ist da und ruft dich!“

Daraufhin geht Maria auch Jesus entgegen. Aber sie hat die Glaubenserfahrung der Marta nicht gemacht und zweifelt. Sie macht Jesus sogar Vorwürfe: „Wenn du hier gewesen wärst, unser Bruder wäre nicht gestorben!“

Marta ist also die, die zuerst glaubt.

Dann folgt noch der Schluss: Jesus geht mit den Schwestern und dem ganzen Gefolge hinaus zur Grabstelle. Dort heißt es, dass der Tote schon stinke, weil er schon seit vier Tagen liege. Jesus aber lässt sich nicht beirren und sagt zu Marta: „Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“

Dann lässt Jesus das Grab öffnen, hebt seinen Blick zum Himmel und betet. Danach ruft er laut: „Lazarus, komm heraus!“

Und dann erzählt Johannes, dass der Verstorbene herauskam, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen und das Gesicht verhüllt mit einem Schweißtuch.

Weiterführung

Diese Geschichte ist sehr steil, also anspruchsvoll und herausfordernd. Ich muss gestehen, dass ich mich auch schwer tue damit, alles einzuordnen. Die Totenauferweckung am Ende erweist zwar die Macht Jesu, aber von der Botschaft des Textes her hätte sie gar nicht sein müssen, weil sie Lazarus ja in das irdische Leben zurückbringt und Jesus spricht vom ewigen Leben.

Diese Botschaft kommt am besten heraus im Gespräch mit Marta. Dieser Dialog zwischen Jesus und Marta ist der Gipfel in der ganzen Erzählung. Es geht darum, dass Jesus die Auferstehung und das Leben ist und dass, wer glaubt, lebt – auch wenn er stirbt. Da geht es um ein Leben, dem auch das Sterben nichts anhaben kann.

Die Auferweckung von Lazarus bringt ihn nur in ein Leben zurück, in dem er einmal endgültig sterben muss. Die gewichtigere Botschaft ist daher letztendlich, dass Jesus ewiges Leben bringt.

Dazu möchte ich Sie einmal bitten, dass Sie mit sich eine Umfrage machen. Heute ist ja wieder ein Tag der Meinungsforscher und die Umfrageinstitute haben auch zu bestimmten Anlässen immer wieder religiöse Überzeugungen in der Bevölkerung abgefragt. Was würden Sie antworten, wenn Sie gefragt werden: Glauben Sie an das Ewige Leben nach dem Tode? Das ist die erste Frage.

Dazu will ich eine zweite hinzufügen: Glauben Sie an das Ewige Leben vor dem Tode?

Übrigens beantwortet etwa die Hälfte der Deutschen die erste Frage mit „Ja“, zum Teil mit Gefühlsaussagen wie „das kann es doch nicht gewesen sein!“, zum Teil aus biblischer Überzeugung, weil Jesus auferstanden ist.

Die zweite Frage habe ich in keiner Umfrage gefunden, aber in unserem Predigttext und auch sonst an ein paar Stellen im Johannesevangelium. Glauben Sie an das Ewige Leben vor dem Tode?

Meine Behauptung heute ist: Beide Fragen betreffen das gleiche „ewige Leben“, sind also auch gleich zu beantworten. Das Ewige Leben nach dem Tode ist das gleiche ewige Leben wie das vor dem Tode. Wer an ein ewiges Leben nach dem Tod glaubt, sollte sich auch mit dem ewigen Leben vor dem Tod beschäftigen.

Warum? Weil das ewige Leben nicht durch den Tod entschieden wird. Der Tod beendet es nicht und fängt es nicht an. Der Tod trifft das ewige Leben nicht. Jesus sagt: Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Er beendet das irdische Leben, das Leben in der Zeit. Denn der Tod ist ein Teil der Zeit, aber Ewigkeit ist nicht unendliche Zeit, sondern ohne Zeit, außerhalb der Zeit – oder besser gesagt: Die Zeit spielt sich irgendwo innerhalb der Ewigkeit ab.

Versuch einer Vorstellung

Ich habe mir überlegt, wie wir uns das irgendwie lebensnah vorstellen können, was Jesus uns sagen will. Ich habe mir überlegt, dass wir uns das Leben vielleicht wie einen Vorplatz vor einer großen Halle vorstellen können. Mir ist gerade noch lebendig in Erinnerung, wie wir im Urlaub zum Leichtathletikstadion gegangen sind in einem Gewusel von vielen Menschen. Wenn man zu so einer Veranstaltung geht, dann kommt man oft irgendwann an eine Schlange.

Da stehen sie dann, alle, die gespannt sind auf das große Event und jetzt dastehen und auf eine Eintrittskarte warten. Wer da in der Reihe steht, muss einiges befürchten: Vielleicht gibt es nur noch schlechte Plätze, vielleicht sind die Karten auch ganz aus, bis man vorne drankommt. Oder vielleicht ist die Show auch gar nicht gut, für die man das jetzt auf sich nimmt.

Da ist es nun ganz anders, wenn man vorbereitet ist. Wie anders geht uns da, wenn wir schon Teil der Veranstaltung sind; wenn wir schon vor einiger Zeit Besuch von einem bekommen haben, der schon dort war, der lebendig erzählt von der tollen Sache und der uns auch gleich noch eine Karte geben konnte. Die ganze Zeit sind wir jetzt schon rumgelaufen mit dem guten Gefühl, eine Karte zu haben. Und auch das letzte Stück durch das Gedränge zum Eingang gehen wir ganz anders und freuen uns darauf, bald drin zu sein.

So ähnlich ist es vielleicht gefühlsmäßig, möchte ich sagen, mit dem ewigen Leben vor dem Tod. Jesus ist sozusagen gekommen wie der, der schon dort war, der erzählen kann und dessen Verheißungen uns das gute Gefühl geben können, angenommen zu sein bei Gott – nicht erst im Jenseits, sondern schon jetzt, als Getaufte und Glaubende.

Jesu Spitzensatz ist:
„Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“

Ich will gern eine Marta sein, wenn es darum geht, wie ich lebe mit dieser Zusage. Denn als die gefragt wird:
„Glaubst du das?“ sagt sie aus ganzem Herzen:
„Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist; der Sohn Gottes!“
Amen.

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