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Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias
Johannes 4,5-14
Thema:  Lebendiges Wasser aus der Begegnung mit Jesus 

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 21.01.2007 in Hemmingen

 

TEXTLESUNG
Joh.4,5-14
Einstieg Jakobsbrunnen
Liebe Gemeinde, als ich vor einigen Jahren nach Israel gereist war, da verlängerte ich die Reise noch ein paar Tage und übernachtete in Jerusalem bei einem Freund, der dort studierte. Die Gegend liegt etwas weiter nördlich, wo man bis heute diesen Brunnen Jakobs verehrt, interessierte mich noch besonders. Dort ist die Stadt Samaria nicht weit, außerdem das alttestamentliche Sichem und ganz nah der Berg Garizim.
Dieser ist bis heute der Kultberg der Samaritaner. Unterhalb, zum fruchtbaren Tal hin, gibt es einen 35 m tiefen Brunnen, den man als Jakobsbrunnen verehrt.
Ich kam aus Jerusalem im Gruppentaxi mit einheimischen Palästinensern, Nablus war ein furchtbarer Trubel, auch mit Angst, weil die politische Spannung dort immer in der Luft liegt.
Anders ist es draußen an dem Brunnen. Heute ein Ort für Reisende, wie damals offenbar auch. Dort draußen hat man die Stadt hinter sich. Zwar gibt es auch die touristischen Dinge, Parkplatz und Verkehr, aber nicht so sehr viel, vor allem, wenn die Politik gerade schwierig ist.
Über dem Brunnen wollte man eine Kirche bauen, aber die ist schon früh unvollendet geblieben.
Die Geschichte von Jesus und der Samaritanerin ist auch deshalb eine faszinierende Geschichte, weil sie einen faszinierenden Ort hat, den man heute noch aufsuchen kann, unterhalb der trockenen Berge des Garizim, außerhalb der Stadt.
Identifikation
Nicht nur den Ort können wir heute besuchen, können wir uns vorstellen. auch diese Frau können wir uns vielleicht gut vorstellen.
Wir gehen ja auch manchmal raus aus dem Trubel. Aus der Stadt unseres Lebens an die Oase, von der wir uns Erfrischung versprechen. Aus dem Alltag raus in den Sonntag, aus Talkshows, Sitzungen, Parties raus in den Gottesdienst. Je spannungsvoller das Leben, umso wichtiger die Orte zum Auftanken.
Die Frau in der Geschichte hat keinen Namen. Wir könnten das auch sein.
Sie geht also an einem Tag vor rund 2000 Jahren aus der Stadt nach draußen. Ihr Ziel ist der alte Brunnen, von dem erzählt wird, dass der Stammvater Jakob ihn besaß. Dort holt sie Wasser. Ihren Wasserkrug hat sie mitgenommen. Sie gehört nicht zu denen, die andere gehen lassen können, sie geht selbst.
Die Frau geht um die Mittagszeit. Das macht stutzig, denn im heißen Palästina arbeitet da keiner. Da steht die Sonne ganz oben, es ist viel zu heiß für Schritte, zumal Schritte aus der Stadt hinaus.
Ob die Frau sich wohl sagt, dass es so am besten ist für sie? Dann ist sie allein. Dann kann sie ihren Gedanken nachhängen und vor allem lacht sie keiner aus oder schaut sie schief an. Denn später in der Geschichte kommt heraus, dass sie ein reichlich verpfuschtes Leben mit sich herumträgt. Sie hatte immer Pech mit den Männern, 5 Stück! Oder selbst Schuld! Und jetzt hatte sie ein Verhältnis. Kein gutes. (Vielleicht hatte sie auch Wellen im Haar, weil Männer ...)
Ungute Verhältnisse. Spannungsvolles Leben. Ein Grund, raus zu gehen aus dem Trubel.
Wie die Frau so einen Schritt vor den andern setzt kommen ihr ein paar Männer entgegen. Sie schaut nicht auf, hört aber, dass es Juden sein müssen. Vom etwas Besorgen in der Stadt sprechen sie.
Normalerweise sind keine Juden hier. Hier bei Sichem leben Samaritaner seit Jahrhunderten. Aus Sicht der Juden haben die sich uns mit fremden Religionen vermischt und sind vom einen Gott abgefallen. Aber sie lesen auch die gleiche Bibel wie die Juden, jedenfalls die 5 Bücher Mose. Sie teilen sogar ihre Hoffnung, dass einmal ein Messias kommt, der alles wieder zusammenbringt und das Königreich Gottes wieder aufrichtet.
Die Begegnung
Die Frau geht weiter. Es ist noch ein Stück. Plötzlich sieht sie, wie da am Brunnen ein Mann sitzt. Er scheint ganz allein zu sein. Ob er zu den jüdischen Männern gehört, die ihr begegnet sind? Es sieht so aus.
Als sie nahe gekommen ist, bleibt sie stehen. Was soll sie tun? Normalerweise gehen sich Juden und Samariter aus dem Weg. Juden betrachten den Umgang sogar als verboten.
Aber dann durchbricht die Stimme des Mannes ihre Gedanken: "Frau, gib mir zu trinken!"
Sie zuckt zusammen. Was? Ich, ihm zu trinken geben? Wir können doch unterschiedlicher nicht sein!
Ja, die zwei, die sich da begegnen, sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Erstens ist sie eine Frau und er ein Mann. Zweitens ist sie eine Samariterin und er ein Jude. Drittens ist sie ängstlich und will mit niemand etwas zu tun haben, aber er strahlt Sicherheit aus und nimmt direkt Kontakt auf.
Was will er eigentlich? Will er einfach trinken oder sieht Jesus schon tiefer? Hat die Bitte um Wasser mit seinem Durst oder mit dem der Frau zu tun?
Jesus ist jedenfalls direkt. Er fragt sie nichts, er bittet sie.
Will Jesus ihr helfen und ihr erst mal etwas zu tun geben, etwas, was sie kann? Also nicht erst Ausweiskontrolle, Argumente, Theorie und so weiter? Nein: Jesus jedenfalls fängt praktisch mit ihr an, bei dem, was sie gerade sowieso tun wollte.
Die Frau aber flüchtet sich: Sie bringt die Theorie ins Spiel, Bedenken. Typisch Bedenkenträgerin. "Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, du, ein Jude, wo ich doch eine Frau bin und eine Samariterin?"
Wie viele Bedenken muss Jesus hören! In anderen biblischen Geschichten gab es Leute, die sagten, dass sie vorher noch dies oder das tun müssten, bevor sie Jesus nachfolgen könnten. Sie trauten ihm einfach nicht zu, was er sagte. Wenn Jesus etwas einfaches erbittet, dann löst das bei uns bis heute oft komplizierte Bedenken aus.
Auf eine Auseinandersetzung darüber lässt sich Jesus hier gar nicht ein. Aus Diskussionen um Jesus kommt bis heute nur heraus, wer erkennt, wer Jesus wirklich ist.
Und darum geht es jetzt. Jesus sagt zu ihr: "Wenn du erkenntest, wer ich bin, der ich sage ‚Gib mir zu trinken!', dann würdest du mich um lebendiges Wasser bitten!"
Jesus bringt noch eine andere Ebene ins Spiel, oberhalb der Praxis und oberhalb der Theorie. Jetzt zielt er auf das Höchste, aufs Ewige. Es geht um Theologie, um Glauben.
Die Frau folgt ihm dabei nicht. Ich stelle mir das so vor, dass Jesus ganz souverän da sitzt, dass die Frau aber in Anspannung bleibt und jetzt dicht vor ihm steht.
Ihre Bedenken halten sie noch fest. Sie bleibt auf der Ebene des Menschlichen. Sie argumentiert theoretisch. So wie unsere Bedenken meistens auch, gerade wenn es um den Glauben und Gottes Willen geht: "Das geht nicht so! Was werden die Nachbarn sagen? Das war schon immer so und da ändert sich doch nichts! Dafür reicht die Zeit nicht! Oder: Lasst uns erst einmal das Geld zusammenhaben."
Im Mund der Frau klingt das so: "Herr, du hast doch gar nichts, womit du schöpfen könntest um mir Wasser zu geben! Woher hast du lebendiges Wasser? Willst du etwa mehr sein als unser Stammvater Jakob, der uns den Brunnen hier hinterlassen hat?"
Jetzt geht Jesus auf sie ein. Das "Mehr" der Frau öffnet deren Gedanken. "Mehr" als Jakob. Das ist eine Spur. "Mehr" als dieser Stammvater. Mehr als ein Mensch?
Jesus greift den Gedanken der Frau auf und verbindet ihn mit der theologischen Botschaft. Er sagt: "Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird ewig nicht mehr dürsten."
Im weiteren Verlauf des Gesprächs bekommt die Frau eine Ahnung davon, was das bedeutet.
Sie spürt, dass sie eigentlich mehr braucht als das Wasser im Brunnen. Leben ist mehr. Lebendiges Wasser ist mehr. In der Begegnung mit Jesus entdeckt die Frau, dass sie auch und eigentlich Wasser braucht, das den Durst nicht nur kurz stillt. Leben ist mehr als essen und trinken.
Sie braucht Wasser, das die Sonne nicht wieder wegtrocknet, was der Hund nicht wegsaufen kann oder das das Kind nicht verschüttet.
Jesus sagt: "Das Wasser, das ich geben werde, das wird in dem, der davon trinkt, eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt."
Jetzt beginnt die Frau fasziniert zu sein von Jesus, ihm etwas zuzutrauen und am Ende zu glauben, in ihm den Messias getroffen zu haben.
Jetzt will die Frau mehr. Die Geschichte geht noch weiter, aber unser Predigtabschnitt endet hier, bei diesem Wort vom Wasser.
So richtig wird im Folgenden nicht erzählt, wie die Frau genau verstanden hat, was sie mit Jesus erlebt hat. Sie lässt irgendwann ihren Krug stehen und rennt in die Stadt und holt die Leute heraus vor Begeisterung.
Sie wird also total verändert, sucht die Gemeinschaft, wird zur Botin vom Messias in diesem Volk der Samariter.
Woher kam das? Was hat sie bekommen? Der Krug wurde nicht benutzt. Die Begegnung mit Jesus hat ihr doch mehr gegeben, als sie sich vorstellen konnte.
Wasser, das ihr keiner nehmen kann. Was unvergessen bleibt. Begegnung mit Jesus kann so sein, dass ich spüre: Gott hat mich angeschaut mit Liebe und unerschöpflichem Reichtum.
Wo auch immer wir heute hinkommen, es kann sein, dass Jesus da ist und auf uns wartet. Im Kirchenchor? Oder beim Konfiwochenende? Oder in einem Winkel zuhause, wo wir auf die Knie fallen? Oder auf der Straße, wo wir gar nicht an ihn dachten?
Vielleicht heute morgen hier im Gottesdienst?
Was nehmen wir mit? einen Satz? ein Lächeln? eine Melodie? Gemeinschaft oder ein gutes Gefühl? All das wird lebendig und ewig, wenn es aus der Begegnung mit Jesus kommt.
Jesus zu begegnen hat etwas, was ins Ewige quillt, was sich gar nicht einfach so beschreiben lässt. Auch beim Abendmahl, das wir nachher feiern.
Schluss

Was konnte sich die Frau klar machen, als Jesus wieder weg war? Da war erstens einer, für den Fremdheit oder Standesdünkel kein Thema waren, da war zweitens einer, der sich für sie interessierte, und da war vor allem einer, der sie im Horizont der Ewigkeit gestärkt hat.
Das Johannesevangelium hat uns diese Geschichte erzählt. Viele Christen haben es bis heute erfahren. Man muss gar nicht nach Israel reisen an diesen Brunnen, um dieses lebendige Wasser zu empfangen. Es ist da, wo Jesus uns begegnet. Amen.

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