« Startseite Theologie

2. Sonntag nach Epiphanias
Johannes 2,1-11 (unter Verwendung von Lk.18,27)
Thema: Macht Gott alles möglich? (Wunder)

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 18.01.2009 in Hemmingen

 

Liebe Gemeinde,

die Geschichte, die unser heutiger Predigttext erzählt,

kennt fast jeder.

Es ist die Stelle Johannes 2, Vers 1-11,

wo von der berühmten Hochzeit zu Kana erzählt wird.

 

Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. 9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam - die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. 12 Danach ging Jesus hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und sie blieben nicht lange da.

 

Liebe Gemeinde,

das ist doch eine wunderbare Geschichte!

Jesus auf einem Fest,

einer Hochzeit, mitten unter den Menschen, mitten im Leben.

So wie er gewesen sein muss.

Immer wieder hören wir bei Jesus von Einladungen

und Mahlzeiten bis hin zum Passamahl mit den Jüngern,

an das wir bis heute

und gerade heute wieder erinnern,

wenn wir Abendmahl miteinander feiern.

 

Geselligkeit, Fröhlichkeit, das Leben eben.

Und Jesus sorgt für Wein,

damit der Gastgeber gerettet ist

und die Leute sich freuen können!

Eine wunderbare Geschichte!

Jesus macht Freude.

 

Wird es uns so gehen im neuen Jahr 2009,

dass wir von einer Freude zur andern kommen werden,

wenn wir Jesus bei uns haben?

Die Jahreslosung stößt ja möglicherweise ins gleiche Horn.

Werden mit Gott alle Wünsche erfüllbar?

„Ja“ - könnte man glauben, denn sie lautet:

„Was bei den Menschen unmöglich ist,

das ist bei Gott möglich (Lk.18,27)!“

 

Also: Alles ist möglich:

Die Banken blühen wieder auf,

die Arbeitsplätze sind sicher,

die Krankenversicherungsbeiträge sinken von 15,5 % auf Null,

weil alle gesund werden und gesund bleiben.

Freude ist angesagt!

 

Gott kann alle unsere Wünsche erfüllen.

Das wäre doch die logische Fortsetzung

dieser Hochzeit zu Kana!

 

Ich hätte das gerne so.

Freude mit Jesus, immer.

Ein festliches Jahr miteinander,

nicht nur mit einer Hochzeit,

sondern mit Glück rundum.

 

Wäre das wirklich die logische Fortsetzung

dieser Hochzeit zu Kana?

 

Wenn wir in die Verse im Johannesevangelium schauen,

wie sieht es da aus?

 

Da wird nicht wieder Wasser in den Wein gegossen.

Nein, die Stimmung steigt,

wirklich, das Fest war fröhlich.

Jesus offenbarte seine Herrlichkeit, wird erzählt.

Aber wer hat das gemerkt?

 

Was ist mit Maria,

die ihn am Anfang auf die Sache aufmerksam gemacht hat?

Was ist mit den Dienern,

die die etwa 500 Liter Wasser herbeigeschafft hatten?

Was ist mit dem Speisemeister,

der platt ist, als er die Qualität schmeckt?

Was ist mit den vielen,

die beim Fest vom Wein getrunken haben?

 

Es steht gar nicht da,

was sie mit dem angefangen haben,

was ihnen da begegnete.

Dass welche an Jesus glaubten deswegen,

bleibt auf wenige, auf die Jünger begrenzt.

 

Im letzten Satz steht:
„Und seine Jünger glaubten an ihn, [an Jesus].“

Sie sind die einzigen, die erkannt haben,

wer dieser Jesus ist,

nämlich einer, ein Göttlicher,

an den wir glauben können.

Vielleicht zählt seine Mutter auch dazu,

denn im Satz nach der Geschichte von der Hochzeit

heißt es dann, dass Jesus mit seiner Familie, Mutter und Brüder,

und mit den Jüngern weitergezogen ist.

 

Warum hören wir von den andern nichts?

Wunder werden nur im Glauben

als Wunder erkannt.

Es gibt keine Wunder, die Gott unmittelbar offensichtlich machen.

Sie verändern die Welt nicht so,

dass etwas im weltlichen Sinn bewiesen wäre

und alle überzeugt würden.

Für die, die nicht glaubten,

war die Welt die gleiche geblieben.

 

Irgendwie war für die Menschen die Welt

mit ihren Naturgesetzen eben nicht durchbrochen

durch das, was da geschah.

Gottes Wunder heben die Realität nicht auf,

sondern finden in ihr statt.

 

Wunder

 

Das hat unsere moderne Welt diese Woche auch so gesehen.

Da war das Wort „Wunder“ in allen Nachrichten:

Das Wunder vom Hudson River,

wo das antriebslose Flugzeug mit 155 Personen

so notlanden konnte,

dass keiner schwer verletzt wurde

und alle rasch gerettet waren – wunderbar!

 

Auch dort gab es Gebete, gab es Gedanken an Gott in Todesnot,

und es gab Bewahrung,

für die wir Gott loben können.

Gott sei’s gedankt, wie das abgegangen ist!

Wie anders hätte es gehen können!

Ein Wunder Gottes für die, die mit Gott rechnen.

Das hebt die Realität nicht auf.

Da war ein besonnener Pilot,

ein stabil konstruiertes Flugzeug,

eine großartige gegenseitige Rücksichtnahme unter den Passagieren,

und eine spontan vorhandene Hilfe.

Wer Gott dankt, dankt, dass er für diese Dinge gesorgt hat.

 

Doch wer will,

kann das Glück der Betroffenen auch ohne Gott interpretieren.

Die Gesetze unserer Wirklichkeit

hat das Ereignis der letzten Woche nicht verändert.

 

Wenn wir berichten von den Wundern,

die wir in der Gegenwart erleben,

dann tun wir das mit dem Verständnis,

das wir von der Realität haben.

 

Das unterscheidet uns, das müssen wir uns bewusst machen,

von den Berichten,

die wir aus Zeiten haben,

als es noch ein anderes Weltverständnis gab,

als noch weniger Verhältnisse

wissenschaftlich ausgelotet waren.

Auch die biblische Zeit, die biblischen Berichte gehören dazu.

 

Gleich ist heute wie damals,

dass wir Staunen über ein Handeln Gottes,

das das übersteigt, was wir als Menschen hinbekommen hätten.

Gerade in letzter Zeit gab es auch mitten unter uns

bei Menschen in Hemmingen und, wie ich gehört habe,

im Freundeskreis,

solche Wunder, wo Gebete erhört wurden

und wir Staunen und dankbar sind

und Gott loben.

 

Wenn Ärzte schon aufgegeben haben

und dem Leben eine kurze Frist gegeben haben

und dann die Untersuchung plötzlich ergibt,

dass von der Krankheit nichts weiter zu sehen ist,

dann ist das schon ein wunderbares Erlebnis aus Gottes Hand.

 

Es ist auch gut, wenn wir uns dann freuen,

unabhängig davon, ob

wir realistischerweise immer damit rechnen müssen,

dass alle Diagnosen

stets Momentaufnahmen sind.

 

Wunder heute

 

Als ich bei der Vorbereitung für diesen Sonntag

gefunden habe, dass die Hochzeit zu Kana heute Predigttext sein wird,

habe ich daran gedacht,

dass das ein Anlass sein könnte,

einmal über Wunder in unserer Zeit

und in unserer Gemeinde nachzudenken.

 

Das ist kein einfaches Thema.

Aber ich sehe die Aufgabe auch durch die Jahreslosung gestellt,

die ich als Jahreslosung ein bisschen für problematisch halte,

weil sie gefährlich aus dem Zusammenhang gerissen ist.

 

Vorhin haben wir ja den Zusammenhang gehört

und die Jahreslosung als Schlusssatz:
„Was bei den Menschen unmöglich ist,

das ist bei Gott möglich.“ (Lk.18,27).

 

Ohne Kenntnis des Zusammenhangs

könnte man meinen, wir Christen

könnten uns da, wo unsere Möglichkeiten enden,

einfach von Gott alle Wünsche erfüllen lassen.

 

Ist es so?

Oder gibt es gar keine Wunder?

Wie ist das mit den Wundern heute?

 

Es kann sein,

dass wir zum Thema Wunder

ein unterschiedliches Herkommen

und unterschiedliche Erwartungen haben,

auch innerhalb verschiedenen christlichen Strömungen.

 

Manche geistlichen Richtungen bauen voll und ganz

auf Wunder.

Zum Beispiel im Gospelforum in Stuttgart

wird beständig wiederholt, wie viele Kranke wirklich gesund geworden sind durch diese oder jene Geschichte.

Die Geschichten werden als Beweisstücke genommen,

warum man doch glauben muss.

Ein Druck wird aufgebaut, der sagt,

dass da,

wo keine Wunder geschehen, auch nicht richtig geglaubt wird.

 

Weil das unseriös ist,

ist es kein Wunder, dass es andere vorsichtigerweise

ganz ablehnen, von Wundern zu reden

und mit Wundern zu rechnen.

 

Was ist unser Weg in der Gemeinde?

Wie ich mich erinnere

an die eine oder andere Situation

beten wir durchaus um Wunder,

zum Beispiel um das Wunder der Heilung,

wenn Menschen eine niederschmetternde Diagnose bekommen.

Wir beten um Genesung, manchmal auch durch Handauflegung

und mit Öl, wie es im Jakobusbrief empfohlen wird.

 

Wir beten um Frieden und um Liebe unter den Menschen

und sind dabei überzeugt,

dass das auch ein Wunder ist,

wenn es wirklich geschieht.

Wir beten um das Wunder des Glaubens

für Menschen, die Gott suchen und einfach schwer tun zu finden.

Wir beten um das Wunder der Gemeinschaft,

wo so viele unterschiedliche Menschen zusammen sind

oder wo Beziehungen sich neu ordnen müssen.

 

Wenn diese Gebete erhört werden,

dann freuen wir uns und danken Gott.

 

Ich denke, dass wir mit Wundern Gottes rechnen in der Gemeinde.

 

Wir beten allerdings nicht um Wunder,

die den Raum des Vorstellbaren überschreiten.

Wir beten nicht darum,

das alte Menschen wieder jung werden.

 

Wir beten nicht darum,

dass es Geldscheine regnet,

damit wir dieses Jahr noch das Gemeindehaus

ausbauen und verschönern können.

Auch nicht darum,

dass wir die Heizung abstellen könnten

und trotzdem warm haben.

 

Wir beten nicht darum,

dass der Gazastreifen plötzlich 50 km weiter ins Mittelmeer hinausgeht, so dass dort die Menschen Raum haben zu leben,

und dass die Wüste Palästinas grün wird

und zwei Jerusalems da sind,

damit beide Völker, Juden und Palästinenser,

dort nebeneinander leben können.

 

Noch vieles könnte man sich dazu ja ausdenken,

was so wunderschön wäre.

 

Warum beten wir nicht darum?

Die Anliegen sind ja gut!

Ich denke, wir tun es nicht,

weil wir nicht davon ausgehen,

dass Gott es auf diese Weise machen will,

Beispiel Geldscheine regnen lassen.

Gott könnte wohl,

aber wir gehen davon aus, dass er so die Welt nicht will.

 

Und was Gott nicht will,

darum brauchen wir auch nicht zu beten.

Wir rechnen damit,

dass Gott die Naturgesetze dieser Welt

nicht unterbrechen will.

So ist unsere Lebens- und Glaubenserfahrung

seit Menschengedenken.

 

Warum es so ist,

dass Gott nicht einfach alles in ein Schlaraffenland verwandelt,

das können wir nicht vollständig erklären.

Aber irgendwie gehört es zu den Wohltaten Gottes,

dass wir uns auf die Zusammenhänge der Welt verlassen können,

die Naturgesetze, die Willensfreiheit und so weiter,

auch wenn das alles offen ist für Gutes und Böses.

 

Dass wir uns auf die Naturgesetzlichkeiten verlassen können

ist wirklich eine Wohltat Gottes.

Wenn irgendwo in der Welt einer wäre oder eine Gruppe,

die die Gesetze außer Kraft setzen könnte,

dann müsste uns das Angst und Schrecken machen.

Es ist eine Wohltat Gottes,

dass es unter den Menschen diese übersinnlichen Wundertäter nicht gibt,

auch keine wundertätigen Medaillen

oder Sterne.

 

Der einzige, der Herr auch über die Naturgesetze ist,

ist Gott.

Durch ein Wort hat er alles geschaffen.

Die einzigen Durchbrüche durch

die Zusammenhänge der Welt

glauben wir da,

wo Gott sich als Gott offenbart: Im Glauben.

 

Gott erweist sich als Gott,

das ist ein Wunder, das die Grenzen der Naturgesetzlichkeit sprengt.

Die historische Stunde dafür war Jesu Kommen,

sein Tod und seine Auferstehung.

Aber es war eine historische Stunde,

kein Dauerzustand, den wir für uns in Anspruch nehmen könnten

um damit die Realität aus den Angeln zu heben.

 

Diese Stunde ist auch bei der Hochzeit zu Kana Thema.

„Meine Stunde ist noch nicht gekommen“,

sagt Jesus, als das Wunder verlangt wird.

Und am Ende bleibt als Ergebnis,

dass nicht die Erfüllung menschlicher Wünsche Ziel des Berichts ist,

sondern dass Jesus sich offenbart als Gottes Sohn.

Und diese Offenbarung hat ihren Höhepunkt

mit Kreuz und Auferstehung.

Erst von dort her betrachtet,

wird das „Zeichen“ von Kana zum Wunder,

das Glauben schaffen kann.

 

Damit sind wir bei der Parallele zwischen der Geschichte

von der Hochzeit zu Kana

und dem Bericht vom Reichen Jüngling,

der mit unserer Jahreslosung endet.

 

Das Wunder im Zusammenhang der Jahreslosung ist nicht,

dass Gott materielle oder andere Wünsche erfüllt,

sondern dass er Liebe, Gnade und Vergebung hat

um Menschen den Weg zu sich zu öffnen,

die sich das selbst verbaut haben.

 

Dass Menschen lernen, über die Grenzen des Vertrauten hinaus

in Gottes Handeln ihre Rettung zu erkennen,

das ist das Wunder des Glaubens,

das Gott und nur Gott möglich ist.

Darauf bezieht sich unsere Jahreslosung.

Jesus sagt diesen Satz als Antwort auf die Frage,

wer denn ins Himmelreich kommen könne.

Wenn eher ein Kamel durch ein Nadelöhr kommt

als ein Reicher ins Himmelreich, wer kann dann selig werden?

 

Gott öffnet durch die Offenbarung in Jesus Christus

den Weg zu einem neuen Glauben.

Das ist ein Wunder,

das die Naturgesetze weniger betrifft,

sondern vor allem die Gesetze der natürlichen Religion durchbricht.

 

„Ich habe alles getan“, hat der reiche Jüngling behauptet.

Das war seine Religion.

Gerade diese Leistung hat ihn unfrei gemacht.

Daran hat er sich geklammert,

an das, was er sich verdient hat,

auch das Geld.

Diese Religion ist so hart,

dass es das Wunder des Glaubens braucht.

 

Gottes Wort will bewirken,

dass wir an seine Gegenwart glauben in unserem Leben.

Glauben hebt die Realitäten nicht auf,

in denen wir stehen.

Nicht alles, was wir erleben, ist wunderbar.

Die Wunder, die wir mit Gott erleben,

heben die Natur der Dinge nicht auf.

Aber sie können uns ins Staunen bringen

und dankbar machen und immer wieder neu auf Gott hoffen lassen,

ob es nun um antriebslose Großflugzeuge,

neu operierte Herzklappen

oder wacklige Schulnoten geht.

Mit Gottes Hilfe kann sich Überraschendes auftun.

 

So weit zu den Wundern.

Zusammenfassend sage ich von den Wundern,

mit denen wir rechnen können:

Wir erwarten sie, empfangen und deuten sie

innerhalb der Grenzen des für uns als möglich Denkbaren,

und doch als Handeln Gottes

über die Möglichkeiten der Menschen hinaus.

 

Ob das alles nun recht gepredigt war,

bitte ich selbst zu prüfen.

Mit dem Thema Wunder werde ich und wir alle nie fertig sein.

Es ist ja das Wesen der Wunder,

dass sie sich den Erklärungen entziehen.

 

Schluss

 

Auf festem Boden bin ich aber als Bibelleser und Prediger,

wenn es um die Absicht geht,

mit der das Johannesevangelium die Geschichte

von der Hochzeit zu Kana erzählt:

Dieses Fest will uns hinein nehmen in Begeisterung

nicht eigentlich für das Wunder, sondern für Jesus,

der feiert und Freude bringt.

Die richtige Antwort darauf unsererseits soll sein,

dass wir mit den Jüngern glauben,

die die göttliche Offenbarung im Glauben erkannt haben.
Mit Jesus wird das Leben im geistlichen Sinn ein Fest,

mit Jesu Geist in unserer Mitte,

an diesem Morgen und jeden Tag!

Amen.

  

Zum Seitenanfang