Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach
gehalten am 19.09.2002 in Winterbach
Liebe
Gemeinde,
liebe ganz
kleinen, liebe größeren, junge und alte!
Wir sind
wahrhaftig verschieden heute! Die einen haben 75 Lebensjahre hinter sich, die
andern haben 75 Lebensjahre vor sich – jedenfalls, wenn man das statistische
Mittelmaß anlegt. Lebenszeit! Die
einen sind am Anfang, die andern sind am Anfang vom Rest des Lebens. Ja genau,
eigentlich geht es allen gleich: Wir sind alle am Anfang vom Rest unseres
Lebens. Ich könnte das anders sagen: Wir sind alle in der Gegenwart, in der
gleichen Gegenwart, die Alten wie die Jungen. Wo in unserem Bibeltext zur Predigt, den
ich jetzt gleich vorlese, wo dort das Wort Zeit vorkommt, da ist die Gegenwart
gemeint, unsere Tage, wie wir sie gerade so erleben. Es handelt sich um Verse aus einem Brief
an eine frühchristliche Gemeinde: nämlich die in Ephesus. In diesen alten
Briefen war es so üblich, dass gegen Ende hin die Verfasser noch allerlei gute
Ratschläge weitergeben, wie die Empfänger besser leben können. Hören Sie jetzt also diese
Lebensanweisungen aus dem Brief des Paulus an die Epheser, Kapitel 5, ab Vers
15:
15 So seht nun sorgfältig
darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, 16 und
kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit. 17 Darum werdet nicht unverständig,
sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. 18 Und sauft euch nicht voll
Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern laßt euch vom Geist
erfüllen. 19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen
Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen 20 und sagt Dank Gott, dem
Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. 21 Ordnet euch
einander unter in der Furcht Christi.
Ich möchte die Verse der Reihe
nach nach 3 Berufen einteilen. Machen Sie sich auf die Kaufleute, die Wengerter
und die Sängerinnen und Sänger gefasst.
a) Kaufleute
Die
erste Predigt geht an die Kaufleute:
Ihr lieben Kaufleute! Ihr müsst in eurem Leben planen, kalkulieren,
schauen, was dabei herauskommt unterm Strich. Ihr handelt mit ganz
unterschiedlichen Dingen. Die einen
sind Kaufleute für Spielsachen, die andern für Versicherungen, die dritten für
Dienstleistungen. In einem seid ihr alle gleich: Ihr seid Kaufleute auf der
Basis der Geldwirtschaft. Wenn man
noch tiefer hineinblickt, dann seid ihr euch in noch etwas gleich: Ihr seid alle
Kaufleute eurer Arbeitszeit und – im Grunde Kaufleute eurer Zeit überhaupt. Zeit
muss geplant werden, eingeteilt werden. Was mache ich wann? In diesem Sinne seid
ihr wie alle Menschen Kaufleute, die Kaufleute eurer Zeit. Kaufmännisch betrachtet ist die Zeit ein
feststehendes Quantum: Eine Stunde hat 60 Minuten und diese jeweils 60 Sekunden,
das macht 3600 Sekunden die Stunde. Oder am Tag 3600 mal 24 gleich 86 400
Sekunden. An der Quantität kann
keiner von euch drehen. Das ist für euch Kaufleute enttäuschend, nicht wahr? Da
kann keiner mehr herausholen als der andere. Aber ihr Kaufleute wisst, dass nicht nur
die Quantität entscheidet, sondern auch die Qualität! Vielleicht ist das der
Grund, warum es interessant sein könnte, auch über die Zeit nachzudenken in
einer Predigt, in einer Kirche. Die Zeit für sich kann keiner kaufen. Wir können
die Zeit nicht verlängern, nur vertiefen!
Zeit vertiefen? Was ich damit meine? Ihr Kaufleute, dazu lese ich euch
die Verse an die Epheser für euch einmal vor:
So seht
nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt; nicht als Unweise, sondern als
Weise, und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit.
Böse
Zeit und gute Zeit. Zeit ist Zeit. Aber sie kann vertan sein, es kann nichts
dabei herauskommen. Oder sie kann gefüllt sein, erlebnisreich,
befriedigend. Ihr Kaufleute, da
müsst ihr schauen, was unter dem Strich dabei herauskommt! Nützt eure Zeit, kann
es nur heißen. Genau, wie es hier steht.
Ihr müsst gar nicht bis zum letzten Summenstrich warten, den der Tod
einmal ziehen wird. Eure Zeit kann heute tiefer, erfüllter sein, wenn ihr die
Qualitätsfrage ernst nehmt und nicht nur das Messbare und Sichtbare, sondern
auch das Unsichtbare und Unermessliche einkalkuliert. Wir können unsere
Lebenszeit nicht verlängern, aber vertiefen. Mit Gott. Das war die Predigt an die Kaufleute der
Zeit.
b) Die Wengerter
Das
nächste Stichwort im Text ist der Wein.
Die nächste Predigt geht aber nicht an die Weingärtner, denn so sagen wir
im Remstal nicht. Sie geht an die Wengerter. Vorweg muss ich das gleich erweitern: Es
geht noch genauer an die, die den Wein trinken. Und auch da nicht einmal an
alle, sondern an die, die sich am Wein be-trinken.
Und die Eingeweihten wissen, dass dann die Remstäler gar nicht gemeint sein
können, denn unser Wein ist so edel, dass er für ein Besäufnis zu schade ist,
odr net? Wie auch immer, ich lese
euch Wengertern und euch Wengerterkunden die Verse aus dem Epheserbrief an die
Wengerter und ihre möglichen problematischen Kunden: [...]
werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und
sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen
folgt.
Ihr
Wengerter und Weinzähne, hier wird vor dem Missbrauch des Alkohols gewarnt, wie
ihr merkt. Wenn ihr euch betrinken solltet, so ist das unverständig, oder mit
einem deutlicheren Wort: dumm. Das
gilt euch auch, wenn ihr euch mit andern Mitteln aus der Wirklichkeit
hinausstehlt. Ob der Rausch mit Drogen oder Alkohol, ob mit Spielrausch,
Geschwindigkeitsrausch oder sonst was erfolgt, es handelt sich immer um eine
Dummheit, weil es die Welt nicht ändert oder höchstens noch bitterer macht. Gott will, dass wir uns nicht von der
Welt verflüchtigen, nicht in Träume abtauchen, sondern dass wir verständig sind.
Mit klarem Kopf sollen wir nach Gottes Willen fragen und Gutes tun. Dann werden
wir zufrieden sein auf lange Sicht und nicht den Kater bekommen, wenn der Trip
vorbei ist. Euch Wengertern ist das
ja auch gut klarzumachen, wie es bei euch ähnlich ist wie bei den Kaufleuten
vorhin: Beim Wein kommt es auch vor allem auf die Qualität an – und nicht auf die Quantität. Ihr könnt
den Wein flach und dumm oder eben tiefgründig genießen. Viele von euch wissen das: Der Wein kann
mit allen Sinnen genossen werden, nach der samtenen Farbe, nach dem Perlen, dem
Geruch und dem Geschmack bis hin zum Nachgeschmack. Der Wein kann auch im
Glauben vertieft genossen werden: Ein guter Jahrgang lässt dankbar werden für
Gott, der das Wachsen und Gedeihen gegeben hat. Und bei jedem Glas Wein könnt
ihr auch an den Wein denken, den Jesus zum Zeichen für seine Erlösertat erhoben
hat: Der Wein erinnert daran, dass Jesus sich uns am Kreuz gegeben hat. Wir
denken mit dem Wein im Abendmahl an dieses Geschenk. Ihr Wengerter und Weintrinker, eure Zeit
ist zu schade zum Besaufen, genießt Gottes Gaben und fragt nach seinem
Willen!
c) Sängerinnen und Sänger
Die
dritte Predigt geht an die Sängerinnen und Sänger. Ich lese dazu weiter im
Epheserbrief: Lasst
euch vom Heiligen Geist erfüllen, indem ihr einander ermuntert mit Psalmen und
Lobgesängen und geistlichen Liedern! Singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen
und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus
Christus.
Ihr
Sängerinnen und Sänger, Singen ist ein Zeichen von Begeisterung. Auch wenn ihr
das selbst noch nicht erlebt haben solltet, dann könntet ihr das mal im
Fußballstadion erleben. Gestern gab es zwar für den VfB wieder mal nicht so viel
Grund für Siegesgesänge, aber das Stadion ist heutzutage der Ort, an dem sich
die größten Chöre bilden. Dass das
Singen mit Begeisterung zu tun hat, das ist auch im christlichen Glauben so.
Vielleicht habt ihr daran noch gar nicht gedacht. Aber deshalb singt die Kirche
Lieder. Deshalb ist das Gesangbuch in unserer Kirche nach der Bibel das
wichtigste Buch im Gemeindeleben.
Singen begeistert, und das Singen geistlicher Lieder sowieso: es erfüllt
mit dem Heiligen Geist. So steht es da und so haben das auch schon viele
erlebt. Hier in Winterbach kann ich
mir das erlauben, davon zu reden, weil Ihr Organist Herr Zeeb die Choräle
gekonnt begleitet. Und ihr jungen Bläser habt das auch schon gemerkt, wie es
Spaß macht, einmal so richtig von Herzen zu Blasen und Lieder für Gott zu
spielen. „Wo gesungen wird, da lass
dich ruhig nieder, (denn böse Menschen haben keine Lieder.)“ So sagt das
Sprichwort. Heute ist also einmal richtig Gelegenheit, die Kirche zu loben: Dort
wird tatsächlich noch gesungen. In den Gesangvereinen und Konzertchören auch,
aber die sonntäglichen Gottesdienste sind so ziemlich die einzige regelmäßige
öffentliche Veranstaltung, bei der alle eingeladen sind nach Herzenslust
mitzusingen. So ein richtiges
Danklied für Gott aus dem Herzen zu singen, das ist erfüllte Zeit und lässt an
das betrinken mit Alkohol gar nicht mehr denken. Ob das Lied für Gott nun mit
Orgelbegleitung in der Kirche, mit Orchesterbegleitung im Bachchor, mit Posaune
im Posaunenchor, mit Stagepiano und
Gitarre in der Jugendgruppe, mit CD zuhause oder ganz einfach still im Herzen
klingt – das ist alles schön. Diese Vielfalt, liebe Sängerinnen und Sänger,
klingt hier an, wo von Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern im Herzen
die Rede ist.
Schluss
Ja, liebe Kaufleute,
Wengerter, Sängerinnen und Sänger, geht nun alles das auch
zusammen?
Wie
kommen unterschiedliche Leute in der christlichen Gemeinde miteinander aus? Mit
einem guten Rat dazu endet unser Predigttext: Ordnet
euch einander unter in der Furcht Christi.
Das
Lutherdeutsch ist an dieser Stelle erklärungsbedürftig und so schließe ich mit
einer moderneren Übersetzung: „Seid gegenseitig darauf bedacht, dass es euch gut
geht. So lebt ihr nach, was Jesus Christus euch vorgelebt
hat.“
Amen.