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Predigt zum 18. Sonntag nach Trinitatis
Reihe VI 
Epheser 5,15-21: Kauft die Zeit aus!
Thema: Nicht verlängern, sondern vertiefen!

Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach
gehalten am 19.09.2002 in Winterbach  

Liebe Gemeinde,
liebe ganz kleinen, liebe größeren, junge und alte!

Wir sind wahrhaftig verschieden heute! Die einen haben 75 Lebensjahre hinter sich, die andern haben 75 Lebensjahre vor sich – jedenfalls, wenn man das statistische Mittelmaß anlegt.  Lebenszeit! Die einen sind am Anfang, die andern sind am Anfang vom Rest des Lebens. Ja genau, eigentlich geht es allen gleich: Wir sind alle am Anfang vom Rest unseres Lebens. Ich könnte das anders sagen: Wir sind alle in der Gegenwart, in der gleichen Gegenwart, die Alten wie die Jungen.  Wo in unserem Bibeltext zur Predigt, den ich jetzt gleich vorlese, wo dort das Wort Zeit vorkommt, da ist die Gegenwart gemeint, unsere Tage, wie wir sie gerade so erleben.  Es handelt sich um Verse aus einem Brief an eine frühchristliche Gemeinde: nämlich die in Ephesus. In diesen alten Briefen war es so üblich, dass gegen Ende hin die Verfasser noch allerlei gute Ratschläge weitergeben, wie die Empfänger besser leben können.  Hören Sie jetzt also diese Lebensanweisungen aus dem Brief des Paulus an die Epheser, Kapitel 5, ab Vers 15:

15 So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, 16 und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit. 17 Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. 18 Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern laßt euch vom Geist erfüllen. 19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen 20 und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus. 21 Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.

Ich möchte die Verse der Reihe nach nach 3 Berufen einteilen. Machen Sie sich auf die Kaufleute, die Wengerter und die Sängerinnen und Sänger gefasst. 

a) Kaufleute

Die erste Predigt geht an die Kaufleute:  Ihr lieben Kaufleute! Ihr müsst in eurem Leben planen, kalkulieren, schauen, was dabei herauskommt unterm Strich. Ihr handelt mit ganz unterschiedlichen Dingen.  Die einen sind Kaufleute für Spielsachen, die andern für Versicherungen, die dritten für Dienstleistungen. In einem seid ihr alle gleich: Ihr seid Kaufleute auf der Basis der Geldwirtschaft.  Wenn man noch tiefer hineinblickt, dann seid ihr euch in noch etwas gleich: Ihr seid alle Kaufleute eurer Arbeitszeit und – im Grunde Kaufleute eurer Zeit überhaupt. Zeit muss geplant werden, eingeteilt werden. Was mache ich wann? In diesem Sinne seid ihr wie alle Menschen Kaufleute, die Kaufleute eurer Zeit.  Kaufmännisch betrachtet ist die Zeit ein feststehendes Quantum: Eine Stunde hat 60 Minuten und diese jeweils 60 Sekunden, das macht 3600 Sekunden die Stunde. Oder am Tag 3600 mal 24 gleich 86 400 Sekunden.  An der Quantität kann keiner von euch drehen. Das ist für euch Kaufleute enttäuschend, nicht wahr? Da kann keiner mehr herausholen als der andere.  Aber ihr Kaufleute wisst, dass nicht nur die Quantität entscheidet, sondern auch die Qualität! Vielleicht ist das der Grund, warum es interessant sein könnte, auch über die Zeit nachzudenken in einer Predigt, in einer Kirche. Die Zeit für sich kann keiner kaufen. Wir können die Zeit nicht verlängern, nur vertiefen!  Zeit vertiefen? Was ich damit meine? Ihr Kaufleute, dazu lese ich euch die Verse an die Epheser für euch einmal vor:

So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt; nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit.

Böse Zeit und gute Zeit. Zeit ist Zeit. Aber sie kann vertan sein, es kann nichts dabei herauskommen. Oder sie kann gefüllt sein, erlebnisreich, befriedigend.  Ihr Kaufleute, da müsst ihr schauen, was unter dem Strich dabei herauskommt! Nützt eure Zeit, kann es nur heißen. Genau, wie es hier steht.  Ihr müsst gar nicht bis zum letzten Summenstrich warten, den der Tod einmal ziehen wird. Eure Zeit kann heute tiefer, erfüllter sein, wenn ihr die Qualitätsfrage ernst nehmt und nicht nur das Messbare und Sichtbare, sondern auch das Unsichtbare und Unermessliche einkalkuliert. Wir können unsere Lebenszeit nicht verlängern, aber vertiefen. Mit Gott.  Das war die Predigt an die Kaufleute der Zeit. 

b) Die Wengerter

Das nächste Stichwort im Text ist der Wein.  Die nächste Predigt geht aber nicht an die Weingärtner, denn so sagen wir im Remstal nicht. Sie geht an die Wengerter.  Vorweg muss ich das gleich erweitern: Es geht noch genauer an die, die den Wein trinken. Und auch da nicht einmal an alle, sondern an die, die sich am Wein be-trinken. Und die Eingeweihten wissen, dass dann die Remstäler gar nicht gemeint sein können, denn unser Wein ist so edel, dass er für ein Besäufnis zu schade ist, odr net?  Wie auch immer, ich lese euch Wengertern und euch Wengerterkunden die Verse aus dem Epheserbrief an die Wengerter und ihre möglichen problematischen Kunden:  [...] werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt.

Ihr Wengerter und Weinzähne, hier wird vor dem Missbrauch des Alkohols gewarnt, wie ihr merkt. Wenn ihr euch betrinken solltet, so ist das unverständig, oder mit einem deutlicheren Wort: dumm.  Das gilt euch auch, wenn ihr euch mit andern Mitteln aus der Wirklichkeit hinausstehlt. Ob der Rausch mit Drogen oder Alkohol, ob mit Spielrausch, Geschwindigkeitsrausch oder sonst was erfolgt, es handelt sich immer um eine Dummheit, weil es die Welt nicht ändert oder höchstens noch bitterer macht.  Gott will, dass wir uns nicht von der Welt verflüchtigen, nicht in Träume abtauchen, sondern dass wir verständig sind. Mit klarem Kopf sollen wir nach Gottes Willen fragen und Gutes tun. Dann werden wir zufrieden sein auf lange Sicht und nicht den Kater bekommen, wenn der Trip vorbei ist.  Euch Wengertern ist das ja auch gut klarzumachen, wie es bei euch ähnlich ist wie bei den Kaufleuten vorhin: Beim Wein kommt es auch vor allem auf die Qualität an –  und nicht auf die Quantität. Ihr könnt den Wein flach und dumm oder eben tiefgründig genießen.  Viele von euch wissen das: Der Wein kann mit allen Sinnen genossen werden, nach der samtenen Farbe, nach dem Perlen, dem Geruch und dem Geschmack bis hin zum Nachgeschmack. Der Wein kann auch im Glauben vertieft genossen werden: Ein guter Jahrgang lässt dankbar werden für Gott, der das Wachsen und Gedeihen gegeben hat. Und bei jedem Glas Wein könnt ihr auch an den Wein denken, den Jesus zum Zeichen für seine Erlösertat erhoben hat: Der Wein erinnert daran, dass Jesus sich uns am Kreuz gegeben hat. Wir denken mit dem Wein im Abendmahl an dieses Geschenk.  Ihr Wengerter und Weintrinker, eure Zeit ist zu schade zum Besaufen, genießt Gottes Gaben und fragt nach seinem Willen! 

c) Sängerinnen und Sänger

Die dritte Predigt geht an die Sängerinnen und Sänger. Ich lese dazu weiter im Epheserbrief:  Lasst euch vom Heiligen Geist erfüllen, indem ihr einander ermuntert mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern! Singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Ihr Sängerinnen und Sänger, Singen ist ein Zeichen von Begeisterung. Auch wenn ihr das selbst noch nicht erlebt haben solltet, dann könntet ihr das mal im Fußballstadion erleben. Gestern gab es zwar für den VfB wieder mal nicht so viel Grund für Siegesgesänge, aber das Stadion ist heutzutage der Ort, an dem sich die größten Chöre bilden.  Dass das Singen mit Begeisterung zu tun hat, das ist auch im christlichen Glauben so. Vielleicht habt ihr daran noch gar nicht gedacht. Aber deshalb singt die Kirche Lieder. Deshalb ist das Gesangbuch in unserer Kirche nach der Bibel das wichtigste Buch im Gemeindeleben.  Singen begeistert, und das Singen geistlicher Lieder sowieso: es erfüllt mit dem Heiligen Geist. So steht es da und so haben das auch schon viele erlebt.  Hier in Winterbach kann ich mir das erlauben, davon zu reden, weil Ihr Organist Herr Zeeb die Choräle gekonnt begleitet. Und ihr jungen Bläser habt das auch schon gemerkt, wie es Spaß macht, einmal so richtig von Herzen zu Blasen und Lieder für Gott zu spielen.  „Wo gesungen wird, da lass dich ruhig nieder, (denn böse Menschen haben keine Lieder.)“ So sagt das Sprichwort. Heute ist also einmal richtig Gelegenheit, die Kirche zu loben: Dort wird tatsächlich noch gesungen. In den Gesangvereinen und Konzertchören auch, aber die sonntäglichen Gottesdienste sind so ziemlich die einzige regelmäßige öffentliche Veranstaltung, bei der alle eingeladen sind nach Herzenslust mitzusingen.   So ein richtiges Danklied für Gott aus dem Herzen zu singen, das ist erfüllte Zeit und lässt an das betrinken mit Alkohol gar nicht mehr denken. Ob das Lied für Gott nun mit Orgelbegleitung in der Kirche, mit Orchesterbegleitung im Bachchor, mit Posaune im Posaunenchor, mit Stagepiano und Gitarre in der Jugendgruppe, mit CD zuhause oder ganz einfach still im Herzen klingt – das ist alles schön. Diese Vielfalt, liebe Sängerinnen und Sänger, klingt hier an, wo von Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern im Herzen die Rede ist.

Schluss

Ja, liebe Kaufleute, Wengerter, Sängerinnen und Sänger, geht nun alles das auch zusammen?

Wie kommen unterschiedliche Leute in der christlichen Gemeinde miteinander aus? Mit einem guten Rat dazu endet unser Predigttext: Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.

Das Lutherdeutsch ist an dieser Stelle erklärungsbedürftig und so schließe ich mit einer moderneren Übersetzung: „Seid gegenseitig darauf bedacht, dass es euch gut geht. So lebt ihr nach, was Jesus Christus euch vorgelebt hat.“

Amen.

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