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Predigt zum Gottesdienst mit Orgelmatinee
EG 99
Thema: Christ ist erstanden 

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 27.09.2009 in Hemmingen
gegliedert durch Orgelchoräle Johann Sebastian Bachs, gespielt an der Orgel der Hemminger Laurentiuskirche von Kirchenbezirkskantor Andreas Gräsle, Ditzingen;
abschließend eine Orgelimprovisation über das Lied.

Liebe Gemeinde,

„Christ ist erstanden“ ist vielleicht das älteste deutsche, also nicht lateinische, Kirchenlied, das bis heute gesungen wird! Es ist so alt, dass sich erste Spuren bereits im 12. Jh., also 11hundertirgendwas, finden. Es hatte seinen Platz an einem der emotionalen Höhepunkte in der Osterliturgie – wie bei uns in der Osternacht, wo es immer wieder Menschen ergreift, wenn Herr Schlageter mit den Tönen dieses Liedes die Trauer des Grabes hinausspielt und das Licht in der Kirche angeht.

Aussage: Die Auferstehung Jesu Christi bedeutet Freude und Trost für die Menschen.

Wir werden dem Lied und seiner Aussage jetzt entsprechend den 3 Strophen folgen. Jedes Mal wird die Orgel eine Strophe spielen und danach werden wir sie deuten.

Wenn Sie möchten, schlagen Sie gern im Gesangbuch die Nummer 99 auf und lesen sie mit.

Die erste Strophe ist: „Christ ist erstanden von der Marter alle, des lasst uns alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.“ Die Bachsche Vertonung legt die Melodie in die oberste Stimme. Als Cantus firmus steht sie sozusagen fest über dem, was in den Unterstimmen geschieht. Sie können ja einmal herausfinden, wie Sie die Unterstimmen hören: als heftige Bewegung, wie die Erdbeben, die nach dem biblischen Bericht die Auferstehung begleiten? Oder als Tanz, als Bewegung der Osterfreude?

Orgel: Christ ist erstanden BWV 627,1

Liebe Gemeinde,

mit dem „Christ ist erstanden“ klingt der Ostergruß, der Osterruf an: Der Herr ist auferstanden! Das knüpft an die ersten Worte vom Ostermorgen an, an das, was der Engel den Frauen am Grab sagt:
„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden!“ (Lk.24,5-6).

Mit dem österlichen Ruf ist allerdings nicht vergessen, was vorher war. Das österliche Lied verschweigt das Martyrium nicht. Er ist auferstanden „von der Marter alle“. Kinder in der Grundschule wissen nicht, was eine Marter ist. Wissen wir es? Ich habe auch gestern erst gelernt, dass unser deutsches Wort „Marter“ tatsächlich durch den christlichen Gebrauch vom griechischen Wort Martyrium herstammt. Ein Martyrium ist ein Zeugnis. Bei den frühen Christen wurde es in der Verfolgungszeit Fachwort für das Blutzeugnis.

Wer bereit war, für seinen Glauben sogar zu sterben, wurde Märtyrer genannt.

Wissen wir damit, was eine Marter ist? In Gesprächen mit leidenden Menschen müssen die, denen es gut geht, aufpassen, da nicht zu viel zu wissen. Wer nicht selbst ein Martyrium durchgemacht hat, kann es eigentlich nicht kennen, allenfalls erahnen. Jesus hat der Marter „alle“ durchgemacht, sagt unser Lied. Das ist eine gewaltige Glaubensaussage, die zu der gehört, dass Jesus alle unsere Sünde getragen hat.

Was auch immer unsere Marter sein mag, Jesus ist der Göttliche, der alle menschliche Marter kennt und uns gerade dort beisteht und vertritt. Das kann er, weil er von der Marter erstanden ist. Die Marter hat nicht den Sieg. Der Weg Jesu führte nicht nur hinein, sondern hindurch, auch durch den Tod.

Je größer der Kontrast, umso größer die Erleichterung, wenn eine Marter überwunden ist. Die Erleichterung, die Freude singt unser Lied: „des lasst uns alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.“

Trost will Christus sein, nicht nur an sich, unser Trost will er sein. Das war schon seine Sendung, dass er zu uns kommt. Und trösten kann wahrhaftig am besten, wer kommt, da ist, mitgeht, und Stärke hat uns zu tragen und hindurchzubringen.

Nach diesem kurzen theologischen Durchgang durch die erste Strophe möchte ich noch einen musikalischen Durchgang machen. Die Melodie ist so gestaltet, dass wir den Gedankengang innerlich mithören können.

Schauen wir uns die Melodie einmal genau an: „Christ“ steht an erster Stelle! Christus! % Mit Gewicht – als halbe Note. Ton ziemlich in der Mitte, zentral, es geht danach rauf und runter im Tonumfang. Rauf geht es beim Stichwort „erstanden“. % Die Auferstehung ist der Gipfel von allem.

Runter geht es bei „der Marter alle“. % Wie es wirklich war: Das Leiden steht für den Weg Jesu vom Sohn Gottes ganz hinunter bis zum Leiden am Kreuz.

Danach, in der zweiten Zeile, geht es um das „froh sein“, da wird es tänzerisch, die aufsteigende Quart ist dafür ein Signal: % Dieser Tonsprung ist bekannt als Auftakt von Tänzen und Jagdliedern. Bei „froh sein“ haben wir dann ein zweites Aufsteigen. % Und dann wechselt es noch einmal in die nicht so frohe Situation. Wir haben vorhin gesagt, dass der Tröster Christus zur Welt herab gekommen ist. So geht es auch hier: zum Trost kommt Christus hinab: „Christ will unser Trost sein“ %.

Und das Kyrieleis erklingt dort in der Tiefe, das ja ein griechisches Wort ist und heißt: Kyrios, Herr, erbarme dich!

Wir hören jetzt die zweite Strophe: „Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen. Seit dass er erstanden ist, so loben wir den Vater Jesu Christ. Kyrieleis.“

Orgel: Christ ist erstanden BWV 627,2

Liebe Gemeinde, ja, was wäre gewesen, wenn er nicht erstanden wär?

Wir säßen nicht hier. Wir hätten nichts zu feiern an Ostern und von Ostern her. Wir hätten auch nichts zu glauben – jedenfalls keinen christlichen Glauben.

Erst die Auferstehung hat Jesus wirklich als den Christus erwiesen und den Sohn Gottes.

Wär er nicht erstanden. Dazu sagt Paulus im 1. Korintherbrief in Kapitel 15: „Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden (1.Kor.15,14-17).

Dem Glauben würde ohne die Auferstehung also die Substanz fehlen. Die Erlösung wäre nicht Wirklichkeit. Die Sünde wäre nicht getragen. Die Hoffnung über den Tod hinaus wäre nicht Wirklichkeit. Die Welt wäre, was sie ohne Glauben einfach ist: vergänglich. Und wir wären von unserem Aufblühen in der Jugend an nur noch vergänglich und danach vergangen.

Solche Perspektiven sind in biblischer Sicht Verlorenheit. So geht die Welt verloren. „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (Joh.3,16).

Davon singen wir mit diesem Lied auch. Weil Jesus auferstanden ist, ist die Welt nicht vergangen und sind wir nicht verloren. Dafür loben wir den Vater Jesu Christ, Gott, unseren himmlischen Vater.

Wir hören jetzt die dritte Strophe: Ein dreifaches Halleluja! Und dann noch einmal das Thema: „Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.“

Orgel: Christ ist erstanden BWV 627,3 

Liebe Gemeinde, ich möchte den beiden fremdsprachigen Wörtern noch einmal nachgehen: Halleluja und Kyrieleis.

Das eine ist hebräisch, das andere griechisch. Beide biblischen Ursprachen kommen also hier vor. Hebräisch wurde das alte Testament geschrieben und griechisch sprachen die Leute, die das Neue Testament schrieben.

Halleluja

Halleluja kennen wir vor allem aus den Psalmen. Auch unser Psalm vorhin endete mit dem „Halleluja!“ Es heißt „Preist den Herrn!“ Hallelu bedeutet „lasst uns preisen“ und das „ja“ am Ende steht als Abkürzung für Jahwe.

Von solchen Stellen aus hat man übrigens erschlossen, dass die frühere Meinung, dass der Gottesnahme Jehova gewesen sei, falsch gewesen ist.

Halleluja ist ein Jubelruf. Im Neuen Testament kommt er in der Offenbarung des Johannes wieder vor. Dort werden die himmlischen Gesänge der Engel um den Thron Gottes beschrieben.

Den Abschnitt mit dem Halleluja kann man übrigens am schnellsten singen im Lied. Das weiß ich von dem, dass ich das „Christ ist erstanden“ immer auch mit den Kindern der vierten Klasse in der Schule singe. Erstaunlicherweise ist es in manchen Klassen ein Hit geworden. Erst kürzlich haben die Konfirmanden es sich für den Konfirmationsgottesdienst gewünscht. Bei den Grundschülern liegt das auch daran, wie wir die Melodie singen. Wir nehmen das „Des sollen wir alle froh sein“ ernst und singen das Lied als Tanzlied. So wie israelische Tänze, mit langsamem Start und dann mit jeder Runde immer schneller bis die Kinder nicht mehr mitkommen. Das Halleluja ist die Stelle, wo alle mitkommen, weil es leicht von der Zunge geht.

Kyrie eleison

Das Kyrieeleison ist wie ein Gegensatz zum Halleluja, kein Jubelruf, sondern eine dringende Bitte: Kyrie heißt Herr! Und eleison heißt: Erbarme dich!

Im Neuen Testament rufen so je eine Frau und ein Mann, die beide zu Jesus kommen und ihm das Leid der Tochter beziehungsweise des Sohnes klagen. Außerdem rufen so zwei Blinde, die am Weg sitzen als Jesus vorbeikommt. Und Jesus hat ihnen allen geholfen, nachdem er ihren Glauben sah, der in diesem Kyrie eleison zum Ausdruck kam.

Darauf baut dieser Ruf immer, wenn wir ihn verwenden: Dass Jesus die Not sieht und wahrnimmt, wie ernst wir es meinen, wenn wir ihn anrufen.

Im Mittelalter wurde das Kyrieleis zum Merkmal einer ganzen Liedgattung: Die „Leisen“ waren Lieder, bei denen jede Strophe mit dem Kyrieleis endete.

Viele dieser Leisen sind heute vergessen. Das „Christ ist erstanden“ hat die Zeiten überstanden. Als Martin Luther es in seiner Fassung in das Wittenberger Gesangbuch von 1529 aufgenommen hat (vgl. die Jahreszahl im EG), schrieb er über das Lied: „Alle Lieder singt man sich mit der Zeit müde, aber das ‚Christ ist erstanden‘ muß man alle Jahr wieder singen“.

Das wollen wir auch in Hemmingen so halten. Nicht nur des Liedes wegen, sondern vor allem wegen seinem Inhalt: Christ will unser Trost sein!

Amen.

 

Organist Andreas Gräsle wird jetzt die Töne des Christ ist erstanden in einer Orgelimprovisation weiter- und nachklingen lassen. Improvisation heißt: Was wir hören, wird vom Organisten frei gespielt, ohne Notensatz, so, wie es noch nie gespielt wurde, als neues Lied.

Orgel: Improvisation über „Christ ist erstanden“

 

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