Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach
gehalten am 21.04.2002 in Miedelsbach
Liebe
Gemeinde in Miedelsbach!
Die Textstelle aus der Apostelgeschichte des Lukas,
die Predigttext für heute ist, ist zunächst einmal ein Kapitel kreativer
Evangelisation.
Erzählung
Stellen wir uns einmal vor, Paulus wäre nach
Miedelsbach gekommen. (Er wäre freilich nicht nach Miedelsbach gekommen, auch
nicht nach Schorndorf. Eher nach Stuttgart oder Berlin. Denn Paulus kam ganz
gezielt in die zentralen Städte der Länder. Wir kennen ja einige davon aus
seinen Briefen näher: Ephesus, Thessaloniki, Korinth, Athen – das waren die
Metropolen seiner Zeit.)
Nehmen wir trotzdem einmal an, Miedelsbach sei Athen
und Paulus sei nun nach Miedelsbach-Athen gekommen:
Wäre er da vielleicht erst einmal sauer geworden? Das
Dorf voller Schaufenster und Reklame und nichts davon Werbung für Jesus? So
ähnlich, erzählt Lukas, ging es ihm damals in Athen: Die Stadt voller Tempel und
Statuen und nichts davon für Jesus. Vielmehr alles für irgendwelche
Götterfiguren. Götzenbilder!
Paulus legte sich an mit den Strategen im Ort. Die
Stoiker und Epikureer von damals in Athen trifft man ja bis heute in unseren
Kommunen an und kann sich mit beiden streiten. Die einen wollen in Saus und
Braus leben und nur Fun und Spaß haben. Die anderen vermiesen einem alles, weil
sie an allem zweifeln, was neu und von außen kommt und sich gar nicht ändern
wollen.
Paulus jedenfalls geht nicht nur gezielt in die
Metropolen, sondern auch gezielt zu den Verantwortlichen. Dort bringt er seine
Botschaft vor: Er erzählt von der Auferstehung Jesu und davon, welche
fundamentale Bedeutung das für die Welt hat. Paulus steht also drinnen in
Miedelsbach an der Straße und die hellsten Köpfe Miedelsbachs drängen sich um
ihn.
Es gibt Widerspruch. So etwas Unmögliches hat man in
Miedelsbach selten gehört: Da soll einer auferstanden sein? Und das soll die gute Nachricht für die ganze Welt
sein?
Immerhin sind die Leute so besonnen, dass sie Paulus
nicht gleich hinauswerfen, sondern ihn zu einer Aussprache ins Rathaus einladen.
In Athen war das damals der Areopag, ein Hügel im Zentrum, auf dem die hohe
Richterschaft tagte.
Dort nun fängt Paulus eine Rede
an:
Ihr Männer und Frauen von hier!
Ich bin jetzt die letzten Tage hier im Ort gewesen
und sehe, dass ihr vielen großen Zielen nachlauft. Dass ihr euren Ort fein
macht, Werbung macht und verdienen wollt. Ich sehe schöne Autos und gut
ausgebaute Straßen. Und dann habe ich aber auch ein Haus gesehen, das etwas
anders als die andern aussah. Als ich jemand fragte, meinte der, dass das die
Kirche sei und irgendetwas mit Religion zu tun hätte. „Welcher Gott wird da
verehrt?“, habe ich gefragt. Er wusste das nicht recht. Habt ihr also da ein
Haus für einen unbekannten Gott? Für ein unbekanntes
Lebensziel?
Ich kann euch sagen, wer Gott ist! Ich kann euch
endlich aufklären, wen ihr verehrt, wenn ihr Gott sagt und nicht wisst, wer Gott
ist!
Gott wohnt nicht in Häusern. er passt dort gar nicht
hinein. Schließlich hat er den ganzen Himmel und die ganze Erde geschaffen!
Diesem Gott können Menschenhände nicht Gutes tun wie einem, der etwas nötig
hätte! Er selbst ist es doch, dem die Menschen alles
verdanken!
Er hat die ganze Welt geordnet und allem seinen Platz
gegeben. Gerade so ist er nicht fern, sondern überall hier. Nicht allein in dem
Gebäude, das ihr für eure Gottesdienste benutzt, sondern ganz nah bei einem
jeden von euch!
„In ihm leben, weben und sind wir“, um es mit einem
Zitat zu sagen: „Wir haben göttliche Art.“
Deshalb weg mit allen irdischen Zielen, die uns von
Gott abhalten. Was sollen die Dinge, die wir mit Händen machen! Nehmt sie nicht
so wichtig, die Autos, Häuser, Schmuck und Blumen! Denkt vielmehr an das Ganze,
an das Ziel eures Lebens und dass ihr da dem begegnet, den Gott von den Toten
auferweckt hat.
Das ist doch die gute Botschaft, dass Jesus uns den
Glauben anbietet, der uns unabhängig macht von der sichtbaren Welt. Im Glauben
könnt ihr erst richtig sehen und spüren, dass Gott bei euch ist! Er ist nicht
fern, darum lebt mit ihm!
Als Paulus so von der Auferstehung und von Jesus
sprach, da entsteht ein Moment Stille im Miedelsbacher Rat. Und dann geht es wie
damals in Athen: Die einen spotten und lästern und finden gar nichts
dabei.
Die andern aber spüren: Diese Ungeheuerlichkeit, dass
da an Ostern der Tod besiegt wurde, die packt mich. Daran leuchtet wirklich der
Gott auf, an den ich glauben will! Und die Leute sagen zu Paulus: Bleib mal bei
uns, wir wollen ein anderes Mal noch mehr von dir erfahren und von diesem
Jesus.
Textlesung: Apg. 17,16-32
Ich finde, das ist ein beeindruckendes Beispiel für
mutige, intelligente und gewitzte Verkündigung: Der Paulus, wie ihn Lukas hier
darstellt, fürchtet sich vor nichts und niemand.
Geschickt macht er es: Erst mal alles auskundschaften
und dann den Hebel bei etwas ansetzen, was die Menschen bewegt und wo sie
außerdem offene Fragen haben. Die Athener bewegt die Philosophie und sie haben
die offene Frage nach Gott.
Vielleicht ist es heute anders, dass uns Zeitgenossen
der Sport bewegt oder die Aktiengewinne. Aber auch bei ihnen schwingt hinter
allem die offene Frage nach Gott mit. Immer wieder taucht sie auf, die Frage
nach dem unbekannten Gott, vor allem, wenn wieder ein technisches Versagen
Hunderte von Menschenleben gekostet hat. Oder wenn ein Mensch Amok
läuft.
Gliederung
Ich will es damit belassen. Wo die wichtigen Fragen
in Miedelsbach gestellt werden, das wissen Sie besser als
ich.
Im Folgenden will ich noch in 3 kurzen Punkten das
Philosophische in unserem Text aufgreifen und dann mit einer Verheißung
enden:
Zunächst also 3 Spitzfindigkeiten für genaues
Nachdenken:
1. Mut zu
den obersten Fragen
1. Auch die klügsten Köpfe der Welt können nicht
verhehlen, dass sie letztendlich die Frage nach Gott offen lassen müssen. Und
immer wieder kommt sie hoch. Menschen leben auch dann unbewusst mit einer
Vorstellung von einem Gott, wenn sie sich als Atheisten
geben.
Sie verhalten sich nach Gottes Geboten, wenn sie
unbewusst spüren, dass der Mensch nicht töten soll. Oder sie verhalten sich nach
Gottes Ordnung, wenn sie unbewusst merken, dass zu einer gelingenden Beziehung
nicht Verliebtheit allein, sondern vor allem Liebe gepaart mit Treue und Geduld
gehört.
Mir gefällt, wie Paulus damit umgeht. Er macht die
Menschen nicht schlecht, sondern greift das Gute auf, was er bei ihnen entdeckt:
Mit ihrem Altar für den unbekannten Gott verehren sie unbewusst den wahren Gott,
von dem er erzählen kann.
So folgen Menschen, die Gutes tun, oft unbewusst dem
nach, was Jesus uns vorgelebt hat.
Christen brauchen sich nicht zu verstecken. Durch die
Auferstehung sehen sie sogar über den Tod hinaus. Sie können den andern sagen:
Mit dem, was ihr unbewusst entdeckt habt, entsprecht ihr dem Glauben an Gott,
den ihr nicht kennt. Und wir können euch von ihm erzählen, auch gerade zu den
Fragen, die über das hinausgehen, was ihr sehen könnt.
2. Fern
oder nah?
2. Wenn es Gott gibt, dann ist er unsichtbar und
allgegenwärtig. Das ist auch für die Philosophie ein klarer Fall. Die schwierige
Frage dabei ist aber die:
Ist dieser unsichtbar gegenwärtige Gott nun nahe oder
fern?
Einiges spräche dafür, ihn für fern zu halten: Er ist
unsichtbar, er gibt sich nicht zu erkennen, er hat kein Gesicht. Deshalb bringt
es nichts, mit ihm zu reden. Eine Kommunikation ist unmöglich. Irgendwie muss es
diesen Gott geben, aber damit beschäftigen muss ich mich nicht. Es ist ein
ferner Gott. So glauben viele Menschen.
Für Christen spricht nun freilich einiges dafür, ihn
für nahe zu halten: Gott ist zwar unsichtbar, aber hat sich öfter zu erkennen
gegeben. Am deutlichsten in Jesus Christus, seinem Sohn. Er hat Menschen
geholfen und Liebe gelebt. So ist Gott, dass er zu uns kommt und uns erlöst!
Dieser Gott interessiert sich für mich, ich kann zu ihm reden. Ich kann
versuchen, seinen Willen für mich zu verstehen. Er ist ein naher Gott, der nicht
fern ist.
Welcher Gott ist Ihnen lieber? An welchen Gott
glauben wir? Nur der nahe Gott kann ein Gott der Liebe sein. Nur der nahe Gott
kann der Gott Jesu Christi sein. Mir ist der nahe Gott viel lieber. Von diesem
Gott kann ich sagen:
Er ist unsichtbar, aber umso mehr gegenwärtig und
nahe. Paulus sagt hier:
Er ist
nicht fern von einem jeden unter uns.
3. In Gott sein
3. In ihm leben, weben und sind wir, wird Paulus hier
von Lukas zitiert. In ihm leben, weben und sind wir.
Was heißt: in ihm? Was ist in Gott sein?
Das ist ganz schwer zu beschreiben, oder nicht? Wie
würden Sie das erklären?
Ich sehe das Hauptproblem darin, dass das nur jemand
von sich sagen kann, der ein Sensorium für Gott hat. Andere können damit nichts
anfangen. Menschen können vom leben in
Gott reden, die dafür einen Sinn haben. Das sind die Menschen, die von sich
auch sagen können: Ich spüre Gott. Ich fühle Gott. Ich fühle mich in Gott
geborgen. Das sind die Menschen, bei denen die tastenden Versuche, Gott zu
finden, mit Gotteserfahrungen beantwortet wurden. Davon ist ja auch in unserem
Text die Rede, dass Menschen Gott fühlen und finden
möchten.
Vom in
Gott sein können, mit einem modernen Wort gesagt, nur Menschen reden, die
»Spiritualität« haben. In nüchternen Worten lässt sich das nicht ausdrücken.
Viel eher in Bildern, auch in sprachlichen Bildern, die am tiefsten wirken, wenn
das äußerliche Sehen abgeschaltet wird und die Augen geschlossen
sind.
Gott fühlen, das ist wie ...
... ein Windhauch, der den Körper in der freien Natur
umspielt,
... wie eine Wärme, die nach einem eiskalten Tag am
warmen Ofen den Rücken hinaufsteigt,
... wie ein Glück, das mich nach der Begegnung mit
einem dankbaren Menschen bewegt,
... wie die Geborgenheit in einer großen, weiten und
warmen Hand, wie es auch Dorothea Steigerwald in einer Figur ausgedrückt
hat.
Vielleicht fallen Ihnen noch andere Bilder dafür
ein.
Mir scheint, dass dieses in Gott sein mit dem Thema des
Wochenspruches von vorhin zu tun hat: Um dieses zu spüren bedarf es einer neuen
Kreatur. Das heißt: Bei uns muss etwas neues Auferstehen, eine andere
Leiblichkeit, ein Sinn für Gott, der entdeckt, dass der ferne unsichtbare Gott
in Wirklichkeit der nahe Gott ist, der sich uns zu fühlen und anzureden und mit
sich zu leben gibt.
Verheißung
In diesem Sinne möchte ich mit einer Verheißung
schließen, die ich diesen Versen der Apostelgeschichte
entnehme:
Seit Ostern ist etwas Neues in der Welt. Menschen
können von der Auferstehung Jesu her leben. Sie können entdecken, dass in und hinter allem die Wirklichkeit
Gottes steht, die stärker ist als alles andere. Die ganze Kreatur ist
neu.
Und in dieser Sicht ist deutlich: Der Gott der Liebe
ist nicht fern von einem jeden unter uns. Er ist dir nahe.
Amen.