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Predigt zum Sonntag Jubilate
Reihe VI
Apostelgeschichte 17,22-32 Paulus auf dem Areopag
Thema: Naher Gott

Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach
gehalten am 21.04.2002 in Miedelsbach 

Liebe Gemeinde in Miedelsbach!

Die Textstelle aus der Apostelgeschichte des Lukas, die Predigttext für heute ist, ist zunächst einmal ein Kapitel kreativer Evangelisation.

Erzählung

Stellen wir uns einmal vor, Paulus wäre nach Miedelsbach gekommen. (Er wäre freilich nicht nach Miedelsbach gekommen, auch nicht nach Schorndorf. Eher nach Stuttgart oder Berlin. Denn Paulus kam ganz gezielt in die zentralen Städte der Länder. Wir kennen ja einige davon aus seinen Briefen näher: Ephesus, Thessaloniki, Korinth, Athen – das waren die Metropolen seiner Zeit.)

Nehmen wir trotzdem einmal an, Miedelsbach sei Athen und Paulus sei nun nach Miedelsbach-Athen gekommen:

Wäre er da vielleicht erst einmal sauer geworden? Das Dorf voller Schaufenster und Reklame und nichts davon Werbung für Jesus? So ähnlich, erzählt Lukas, ging es ihm damals in Athen: Die Stadt voller Tempel und Statuen und nichts davon für Jesus. Vielmehr alles für irgendwelche Götterfiguren. Götzenbilder!

Paulus legte sich an mit den Strategen im Ort. Die Stoiker und Epikureer von damals in Athen trifft man ja bis heute in unseren Kommunen an und kann sich mit beiden streiten. Die einen wollen in Saus und Braus leben und nur Fun und Spaß haben. Die anderen vermiesen einem alles, weil sie an allem zweifeln, was neu und von außen kommt und sich gar nicht ändern wollen.

Paulus jedenfalls geht nicht nur gezielt in die Metropolen, sondern auch gezielt zu den Verantwortlichen. Dort bringt er seine Botschaft vor: Er erzählt von der Auferstehung Jesu und davon, welche fundamentale Bedeutung das für die Welt hat. Paulus steht also drinnen in Miedelsbach an der Straße und die hellsten Köpfe Miedelsbachs drängen sich um ihn.

Es gibt Widerspruch. So etwas Unmögliches hat man in Miedelsbach selten gehört: Da soll einer auferstanden sein? Und das soll die gute Nachricht für die ganze Welt sein?

Immerhin sind die Leute so besonnen, dass sie Paulus nicht gleich hinauswerfen, sondern ihn zu einer Aussprache ins Rathaus einladen. In Athen war das damals der Areopag, ein Hügel im Zentrum, auf dem die hohe Richterschaft tagte.

Dort nun fängt Paulus eine Rede an:

Ihr Männer und Frauen von hier!

Ich bin jetzt die letzten Tage hier im Ort gewesen und sehe, dass ihr vielen großen Zielen nachlauft. Dass ihr euren Ort fein macht, Werbung macht und verdienen wollt. Ich sehe schöne Autos und gut ausgebaute Straßen. Und dann habe ich aber auch ein Haus gesehen, das etwas anders als die andern aussah. Als ich jemand fragte, meinte der, dass das die Kirche sei und irgendetwas mit Religion zu tun hätte. „Welcher Gott wird da verehrt?“, habe ich gefragt. Er wusste das nicht recht. Habt ihr also da ein Haus für einen unbekannten Gott? Für ein unbekanntes Lebensziel?

Ich kann euch sagen, wer Gott ist! Ich kann euch endlich aufklären, wen ihr verehrt, wenn ihr Gott sagt und nicht wisst, wer Gott ist!

Gott wohnt nicht in Häusern. er passt dort gar nicht hinein. Schließlich hat er den ganzen Himmel und die ganze Erde geschaffen! Diesem Gott können Menschenhände nicht Gutes tun wie einem, der etwas nötig hätte! Er selbst ist es doch, dem die Menschen alles verdanken!

Er hat die ganze Welt geordnet und allem seinen Platz gegeben. Gerade so ist er nicht fern, sondern überall hier. Nicht allein in dem Gebäude, das ihr für eure Gottesdienste benutzt, sondern ganz nah bei einem jeden von euch!

„In ihm leben, weben und sind wir“, um es mit einem Zitat zu sagen: „Wir haben göttliche Art.“

Deshalb weg mit allen irdischen Zielen, die uns von Gott abhalten. Was sollen die Dinge, die wir mit Händen machen! Nehmt sie nicht so wichtig, die Autos, Häuser, Schmuck und Blumen! Denkt vielmehr an das Ganze, an das Ziel eures Lebens und dass ihr da dem begegnet, den Gott von den Toten auferweckt hat.

Das ist doch die gute Botschaft, dass Jesus uns den Glauben anbietet, der uns unabhängig macht von der sichtbaren Welt. Im Glauben könnt ihr erst richtig sehen und spüren, dass Gott bei euch ist! Er ist nicht fern, darum lebt mit ihm!

Als Paulus so von der Auferstehung und von Jesus sprach, da entsteht ein Moment Stille im Miedelsbacher Rat. Und dann geht es wie damals in Athen: Die einen spotten und lästern und finden gar nichts dabei.

Die andern aber spüren: Diese Ungeheuerlichkeit, dass da an Ostern der Tod besiegt wurde, die packt mich. Daran leuchtet wirklich der Gott auf, an den ich glauben will! Und die Leute sagen zu Paulus: Bleib mal bei uns, wir wollen ein anderes Mal noch mehr von dir erfahren und von diesem Jesus.

Textlesung: Apg. 17,16-32

Ich finde, das ist ein beeindruckendes Beispiel für mutige, intelligente und gewitzte Verkündigung: Der Paulus, wie ihn Lukas hier darstellt, fürchtet sich vor nichts und niemand.

Geschickt macht er es: Erst mal alles auskundschaften und dann den Hebel bei etwas ansetzen, was die Menschen bewegt und wo sie außerdem offene Fragen haben. Die Athener bewegt die Philosophie und sie haben die offene Frage nach Gott.

Vielleicht ist es heute anders, dass uns Zeitgenossen der Sport bewegt oder die Aktiengewinne. Aber auch bei ihnen schwingt hinter allem die offene Frage nach Gott mit. Immer wieder taucht sie auf, die Frage nach dem unbekannten Gott, vor allem, wenn wieder ein technisches Versagen Hunderte von Menschenleben gekostet hat. Oder wenn ein Mensch Amok läuft.

Gliederung

Ich will es damit belassen. Wo die wichtigen Fragen in Miedelsbach gestellt werden, das wissen Sie besser als ich.

Im Folgenden will ich noch in 3 kurzen Punkten das Philosophische in unserem Text aufgreifen und dann mit einer Verheißung enden:

Zunächst also 3 Spitzfindigkeiten für genaues Nachdenken:

1. Mut zu den obersten Fragen

1. Auch die klügsten Köpfe der Welt können nicht verhehlen, dass sie letztendlich die Frage nach Gott offen lassen müssen. Und immer wieder kommt sie hoch. Menschen leben auch dann unbewusst mit einer Vorstellung von einem Gott, wenn sie sich als Atheisten geben.

Sie verhalten sich nach Gottes Geboten, wenn sie unbewusst spüren, dass der Mensch nicht töten soll. Oder sie verhalten sich nach Gottes Ordnung, wenn sie unbewusst merken, dass zu einer gelingenden Beziehung nicht Verliebtheit allein, sondern vor allem Liebe gepaart mit Treue und Geduld gehört.

Mir gefällt, wie Paulus damit umgeht. Er macht die Menschen nicht schlecht, sondern greift das Gute auf, was er bei ihnen entdeckt: Mit ihrem Altar für den unbekannten Gott verehren sie unbewusst den wahren Gott, von dem er erzählen kann.

So folgen Menschen, die Gutes tun, oft unbewusst dem nach, was Jesus uns vorgelebt hat.

Christen brauchen sich nicht zu verstecken. Durch die Auferstehung sehen sie sogar über den Tod hinaus. Sie können den andern sagen: Mit dem, was ihr unbewusst entdeckt habt, entsprecht ihr dem Glauben an Gott, den ihr nicht kennt. Und wir können euch von ihm erzählen, auch gerade zu den Fragen, die über das hinausgehen, was ihr sehen könnt.

2. Fern oder nah?

2. Wenn es Gott gibt, dann ist er unsichtbar und allgegenwärtig. Das ist auch für die Philosophie ein klarer Fall. Die schwierige Frage dabei ist aber die:

Ist dieser unsichtbar gegenwärtige Gott nun nahe oder fern?

Einiges spräche dafür, ihn für fern zu halten: Er ist unsichtbar, er gibt sich nicht zu erkennen, er hat kein Gesicht. Deshalb bringt es nichts, mit ihm zu reden. Eine Kommunikation ist unmöglich. Irgendwie muss es diesen Gott geben, aber damit beschäftigen muss ich mich nicht. Es ist ein ferner Gott. So glauben viele Menschen.

Für Christen spricht nun freilich einiges dafür, ihn für nahe zu halten: Gott ist zwar unsichtbar, aber hat sich öfter zu erkennen gegeben. Am deutlichsten in Jesus Christus, seinem Sohn. Er hat Menschen geholfen und Liebe gelebt. So ist Gott, dass er zu uns kommt und uns erlöst! Dieser Gott interessiert sich für mich, ich kann zu ihm reden. Ich kann versuchen, seinen Willen für mich zu verstehen. Er ist ein naher Gott, der nicht fern ist.

Welcher Gott ist Ihnen lieber? An welchen Gott glauben wir? Nur der nahe Gott kann ein Gott der Liebe sein. Nur der nahe Gott kann der Gott Jesu Christi sein. Mir ist der nahe Gott viel lieber. Von diesem Gott kann ich sagen:

Er ist unsichtbar, aber umso mehr gegenwärtig und nahe. Paulus sagt hier:

Er ist nicht fern von einem jeden unter uns.

3. In Gott sein

3. In ihm leben, weben und sind wir, wird Paulus hier von Lukas zitiert. In ihm leben, weben und sind wir.

Was heißt: in ihm? Was ist in Gott sein?

Das ist ganz schwer zu beschreiben, oder nicht? Wie würden Sie das erklären?

Ich sehe das Hauptproblem darin, dass das nur jemand von sich sagen kann, der ein Sensorium für Gott hat. Andere können damit nichts anfangen. Menschen können vom leben in Gott reden, die dafür einen Sinn haben. Das sind die Menschen, die von sich auch sagen können: Ich spüre Gott. Ich fühle Gott. Ich fühle mich in Gott geborgen. Das sind die Menschen, bei denen die tastenden Versuche, Gott zu finden, mit Gotteserfahrungen beantwortet wurden. Davon ist ja auch in unserem Text die Rede, dass Menschen Gott fühlen und finden möchten.

Vom in Gott sein können, mit einem modernen Wort gesagt, nur Menschen reden, die »Spiritualität« haben. In nüchternen Worten lässt sich das nicht ausdrücken. Viel eher in Bildern, auch in sprachlichen Bildern, die am tiefsten wirken, wenn das äußerliche Sehen abgeschaltet wird und die Augen geschlossen sind.

Gott fühlen, das ist wie ...

... ein Windhauch, der den Körper in der freien Natur umspielt,

... wie eine Wärme, die nach einem eiskalten Tag am warmen Ofen den Rücken hinaufsteigt,

... wie ein Glück, das mich nach der Begegnung mit einem dankbaren Menschen bewegt,

... wie die Geborgenheit in einer großen, weiten und warmen Hand, wie es auch Dorothea Steigerwald in einer Figur ausgedrückt hat.

 

Vielleicht fallen Ihnen noch andere Bilder dafür ein.

Mir scheint, dass dieses in Gott sein mit dem Thema des Wochenspruches von vorhin zu tun hat: Um dieses zu spüren bedarf es einer neuen Kreatur. Das heißt: Bei uns muss etwas neues Auferstehen, eine andere Leiblichkeit, ein Sinn für Gott, der entdeckt, dass der ferne unsichtbare Gott in Wirklichkeit der nahe Gott ist, der sich uns zu fühlen und anzureden und mit sich zu leben gibt.

Verheißung

In diesem Sinne möchte ich mit einer Verheißung schließen, die ich diesen Versen der Apostelgeschichte entnehme:

Seit Ostern ist etwas Neues in der Welt. Menschen können von der Auferstehung Jesu her leben. Sie können entdecken, dass in und hinter allem die Wirklichkeit Gottes steht, die stärker ist als alles andere. Die ganze Kreatur ist neu.

Und in dieser Sicht ist deutlich: Der Gott der Liebe ist nicht fern von einem jeden unter uns. Er ist dir nahe.

Amen.

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