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Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias
2.Kön.5 - Die Heilung des Naamann
Thema: Der Glaube des Fremden 

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 22.01.2012 in Hemmingen

Liebe Gemeinde,

auch wenn der Christbaum hier vorne weg ist: Immer noch steht die Krippe thematisch im Raum. Wir zählen die Sonntage nach Epiphanias, also nach dem Erscheinungsfest. Thematisch knüpft der heutige Sonntag ausdrücklich an Epiphanias an: Die Heiligen Drei Könige wirken noch nach. Es geht um die Menschen, die aus aller Welt zum Heiland Jesus Christus kommen und damit zum Glauben an den Gott Israels.

Der Wochenspruch hat es gesagt: Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. (Lk.13,29).

Dann haben wir im Evangelium zum heutigen Sonntag von dem Hauptmann gehört, der ein Römer war. Weil er so einen starken Glauben hatte, wurde er zum Vorbild. Der Ausländer war der vorbildliche Christ, der Jesus alles zutraute. Er glaubte, dass allein das Wort von Jesus genügt.

Wenn man diese Vorgeschichten kennt und dieses Sonntagsthema, dann kann man verstehen, warum der heutige Predigttext gerade jetzt dran ist. Es ist eine der nicht ganz so bekannten Geschichten aus dem Alten Testament: Die Heilung des Naamann durch den Propheten Elisa. Man kann an der Geschichte allerhand Themen studieren.

Ich will mich heute aber an das Sonntagsthema halten und orientiere mich an dem, was die Geschichte anstoßen kann zum Verhältnis gegenüber Fremden in Glaubensfragen.

Einordnung

Unsere Geschichte steht im 2. Buch der Könige, Kapitel 5. David und Salomo sind schon lange tot. Israel ist geteilt in ein Nordreich Israel mit der Hauptstadt Samaria und ein Südreich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem. Im Nordreich heißt der König seit etwa 850 vor Christus Ahasja. Sein Vorgänger war der etwas bekanntere Ahab, gegen den Elia die Sache mit dem Gottesurteil auf dem Karmel auszufechten hatte. Nun folgte auf Ahab Ahasja, wodurch es nicht viel besser wurde, und auf Elia folgte Elisa, wodurch es nicht viel weniger spannende Ereignisse gab. Von Elisa wird das eine oder andere spektakuläre Wunder erzählt.

Die Geschichte in Kapitel 5 beginnt in Aram. Die Aramäer sind ein Nachbarvolk Israels dort, wo heute die Syrer sind, also von Israel nach Osten, wo viel weiter hinten das Zweistromland kommt.

Mit diesen Nachbarn Israel und Aram war es, wie es damals eben war, wenn zwei Völker nebeneinander wohnten. Immer wieder gab es Krieg. So auch zwischen Aram und Israel. Man war verfeindet.

1. Die Unterscheidung von Pflicht und Menschlichkeit

Nun erzählt das Königebuch von Naamann. Das muss ein schrecklicher Mann für Israel gewesen sein, denn er war ein Feldherr, von dem es heißt, dass die Aramäer durch ihn siegten.

Aber so schrecklich und berühmt der Mann war: Er hatte ein persönliches Problem: Die lebensgefährliche Krankheit Lepra, der Aussatz, wurde bei ihm diagnostiziert. Aussatz zerfrisst die Haut, Fleisch löst sich auf, der Tod war die Regel. Heute ist Lepra zum Glück heilbar, damals war sie das Todesurteil, ähnlich einer schlimmen Krebsdiagnose heute.

Wahrscheinlich heulte Naamann und war niedergeschlagen, als er die Diagnose Aussatz bekam. Wir können uns vorstellen, dass seine ganze Familie in Trauer fiel. Die Trauer erfasste auch die Knechte und Mägde und – so hören wir – sogar die Kriegsgefangenen, die im Hause mitarbeiten mussten.

Denn da war ein Mädchen, das hatten die Aramäer aus Israel verschleppt und das musste der Frau des Naamann bei der Arbeit helfen. Das Mädchen hatte Mitleid mit dem kranken Naamann. Es wünschte ihm Gutes und dachte an daheim. In Israel, so erinnert sie sich, da hatten wir den Elisa, den Propheten bei Samaria. Das war ein Mann Gottes. Der hatte alle möglichen Krankheiten schon geheilt.

Das Mädchen traut sich und sagt zu ihrer Herrin: „O, wie schön wäre es, wenn der Herr Naamann bei dem Propheten in Israel sein könnte! Der könnte ihn vom Aussatz befreien!“

Diese Botschaft ging dann weiter von Mund zu Mund: Die Frau des Naamann sagte es ihrem Mann und der sagte es dem König von Aram. Und der König? Der schrieb einen Brief und erzählte darin alles dem König von Israel.

Genauer gesagt: Er schrieb an den König von Israel, dass er doch bitte dafür sorgen solle, dass Naamann Hilfe bekommt. Zu dem Brief wies er seine Leute an, viele Geschenke aus Gold und Silber zu machen.

Naamann machte sich auf. Ein Risiko. Er riskierte, unbewaffnet in die Hände des Feindes zu geraten. Er baute auf Menschlichkeit.

An der Stelle will ich ein erstes Mal innehalten.

Naamann unterscheidet Pflicht und Menschlichkeit. Das ist etwas, was im Umgang mit Fremdem oder anderem immer wieder gut tut. Es ist immer wieder gut und richtig, wenn Menschen eine Rolle, die ihre Pflicht ist, auch ausfüllen. Hier muss manchmal Gerechtigkeit vor Mitgefühl gehen. Aber es muss auch das Andere geben, dass Mitgefühl vor Gerechtigkeit geht, Gnade vor Recht.

Naamann kommt nach Israel nicht als Feldherr, nicht in seiner Rolle als Feind, sondern als Mensch mit einer Not. Als solcher bittet er aufgenommen zu werden. Sogar der Verhaltenskodex im Krieg sieht das vor. 1949 wurden dafür die Genfer Konventionen beschlossen. Verwundete werden versorgt, auch wenn es Feinde sind. Wer verletzt ist, wird sozusagen vom Soldaten zum Menschen. Und wer sich ergibt, wird nicht erschossen - nur willkürliche Despoten halten sich nicht daran. Wer tot ist, der wird würdig beigesetzt. Leider mussten wir ja kürzlich hören, dass ein paar amerikanische Soldaten solche Menschlichkeit verletzt haben. Es ist gut, wenn die Welt dagegen zusammensteht.

Ich denke, solche Menschlichkeit ist auch im Christentum grundlegend, ja, vom Christentum geprägt. Wer als Mensch kommt, wird aufgenommen. Wer Hilfe braucht, dem wird geholfen. Jesus hat da keinen Unterschied zwischen Einheimischen und Fremden gemacht. Er sagte: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt.25,40).

Mitmenschlichkeit gegenüber allen, die uns mit ihren menschlichen Bedürfnissen begegnen, ist ein Gebot der Liebe, und seien es Fremde oder gar Feinde.

Gehen wir zurück in die Geschichte von Naamann. Er kommt mit seinem menschlichen Anliegen am Königshof in Samaria an. Wo sonst als in der Zentrale sollte die besondere Heilungskompetenz zu finden sein! Aber der israelische König ist es nun, der die Not nicht sieht, sondern Betrug wittert. Er vermutet, dass dieser Besuch dazu dient um Streit zu suchen. Dann hätten die Aramäer wieder einen Grund ins Land einzufallen.

Zum Glück hört Elisa, der Prophet, davon. Er lässt schnell einen Boten zum Königshof rennen, der dort sagen soll, dass er den Kranken zu ihm schicken soll. Er lässt dem König sagen: „Lass ihn zu mir kommen, damit er merkt, dass in Israel ein Prophet ist!“

Elisa, der Prophet, versteht diese Unterscheidung von Pflicht und Menschlichkeit. Er weiß, dass Naamann keine feindlichen Absichten hegt. Er muss seinen König korrigieren.

2. Das Wünschen für den Fremden

Bevor die Geschichte weitergeht, möchte ich nun noch einmal zurückspringen zu einem zweiten Aspekt im Umgang mit den Fremden.

Da gibt es dieses unscheinbare Mädchen, das gefangen genommen war und im Haushalt Naamanns arbeiten musste. Dieses Mädchen lässt aufblitzen, wie ganz natürlich Glauben weitergegeben werden kann. Sie bezeugt ihren Glauben in der Fremde bzw. einfach vor ihren Mitmenschen.  Das Mädchen sagt: „Ach, dass mein Herr wäre bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien.“

Ich möchte das einmal „Zeugendienst durch Wünschen“ nennen. Der Wunsch für den anderen ist das Motiv für das Glaubenszeugnis. Das Mädchen gibt Evangelium weiter auf ganz natürliche Weise. Sie verkündigt mit unmittelbarem Alltagsbezug. Und sie konfrontiert nicht, sondern macht das Angebot, sich mit ihrem Glauben zu identifizieren. Sie hat eine Hoffnung für den andern, den Fremden.

Das Mädchen wünscht dem Naamann Gutes. Und wer in seinem Glauben einen Halt erlebt, wird ihn andern wünschen als etwas Gutes.

Wer in der Bibel Stärkung findet, wird andern wünschen, dass sie ebenfalls so lesen können, dass sie Stärkung finden. Wer mit dem Grundgefühl leben kann, dass durch Jesus Christus auch im Sterben Erlösungsgewissheit sein kann, wird andern das auch wünschen.

Von Paulus haben wir im Römerbrief in Kapitel 8 die eindrucksvollen Verse von der Gewissheit der Gnade, wo es heißt: „Ich bin gewiss, das weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, [… und anderes mehr] uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ In Anbetracht dieser großen Gewissheit der Gnade wünscht er sie allen, zuerst seinen Stammverwandten, den Israeliten, und ebenso allen Heiden.

Für unsere Mission als Christenheit, also unsere Sendung in alle Welt, kann das ein Gedankenanstoß sein. Mit welcher Methode erzählen wir vom Glauben?

Wir können das Mädchen am Hof in Aram als Vorbild nehmen. Sie fordert nicht von den andern Glauben zum Heil, sondern wünscht es ihnen. Das ist eine sympathische Möglichkeit, dass wir unsere guten Erfahrungen mit Gott anderen wünschen. Wenn wir das zum Ausdruck bringen, können wir durch Wort und Tat dazu beitragen, dass sie von Gott erfahren.

Naamann ist von der Überzeugtheit des Mädchens seinerseits überzeugt worden. Er macht ihre Hoffnung zu seiner Hoffnung. Ihr Glaube an die Möglichkeiten Gottes, ihres Gottes, wird zu seinem Glauben. Er geht und macht sich auf, sogar zum Feind.

3. Die demütige Selbsterkenntnis zum Glauben

Damit zurück in die Geschichte. Der König von Israel empfing die Botschaft von Elisa und war wahrscheinlich froh, dass er ihm diesen komplizierten Fall abnahm. Also bekam der Fremde gleich den Weg gezeigt und fuhr wenig später vor dem Haus Elisas vor.

Nun finde ich, dass Elisa an dieser Stelle nicht sehr fremdenfreundlich agiert. Der Glaube des Naamann wird nämlich auf die Probe gestellt. Elisa geht gar nicht aus dem Haus ihm entgegen, sondern lässt ihm nur sagen: „Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, dann wirst du wieder äußerlich und innerlich gesund!“

Dem römischen Hauptmann in der Geschichte von vorhin hätte das genügt. Aber Naamann wird erst einmal zornig. Er sagte: „Ich meinte, dass er wenigstens herauskommt und mit mir zusammen betet, irgendwie laut, mit erhobenen Händen in Richtung Tempel, damit ich gesund werde!“

Und die Anweisung von Elisa ärgerte ihn doppelt. „Zum Waschen hätte ich in Aram bleiben können. Die Flüsse von Damaskus sind besser als alle Wasser in Israel! Da hätte ich mich auch waschen können!“

Mit diesem Zorn ließ er den Wagen losfahren und schmollte. Jetzt sind es seine Diener, die zu Theologen werden. Sie ziehen ihn am Ärmel und sagen: „Lieber väterlicher Herr, überleg mal! Wenn dir der Prophet etwas Riesiges abverlangt hätte, hättest du es nicht getan? Du warst zu allem bereit, wo du der Macher wärst. Du hast doch schon jede Menge Gold und Silber mitgebracht. Und jetzt lässt er dir einfach sagen: Wasch dich einfach, und du wirst rein!“

Damit haben die Diener gut getroffen. Naamann hört zu. Naamann ändert sich. Vom Befehlshaber wird er zum Befehlsempfänger. Er nimmt die Anleitung an, die Elisa ihm übermitteln ließ.

Ein Ausleger hat gedeutet: Naamann muss sich mit sich selbst konfrontieren. Um sich zu waschen, muss er vom hohen Ross heruntersteigen. Er muss seine Rüstung ablegen. Nackt muss er in den Fluss und dabei kommen seine Wunden zum Vorschein, die Flecken zerstörter Haut, die der Aussatz gefressen hat.

Mich erstaunt, wie parallel die Geschichte vom römischen Hauptmann ist: Sein Glaube, den Jesus lobt, drückt sich darin aus, dass er sich völlig Jesus ausliefert und alles von ihm erwartet: „Ich bin nicht wert, dass du in mein Haus kommst, aber sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“

Glaube ist nicht gegen psychologische Erkenntnisse. Das kann man hier studieren. Für psychische Therapien ist auch grundlegend, dass ein Mensch dahin geführt wird, dass er seiner eigenen Geschichte offen gegenüber steht. Wer sich mit sich selbst konfrontieren lässt, wer seine tiefsten Punkte annimmt, der kann echte Schritte zur Heilung machen.

So ging es auch im Glauben dieses Feldherrn Naamann. Er setzte sich seiner Krankheit aus und gehorchte dem Wort des Propheten. Er tauchte im Jordan sieben Mal unter und wurde heil am Fleisch und innerlich gesund.

4. Die Toleranzfähigkeit

Jetzt war er nicht nur vom Aussatz befreit. Jetzt hatte er auch einen neuen Glauben an den Gott Israels. Sofort beschloss Naamann, zum Propheten Elisa zurückzukehren und ihm die Geschenke zu geben.

Elisa aber ist konsequent. Nicht er, Elisa, hat ihn gesund gemacht, sondern Gott durch den Glauben. Und konsequenterweise nimmt Elisa das Geschenk nicht an, das ihm angeboten wird.

Ich lese diesen Abschnitt einmal im Original vor um daran dann noch einmal anzuknüpfen (15-19):

Und [Naamann] kehrte zurück zu dem Mann Gottes mit allen seinen Leuten. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht. Elisa aber sprach: So wahr der HERR lebt, vor dem ich stehe: Ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, dass er es nehme; aber er wollte nicht. Da sprach Naaman: [Ich will am liebsten von hier Erde mitnehmen zum Zeichen, dass ich dem hiesigen Gott dienen will, Erde, so viel zwei Maultiere tragen! Denn dein Knecht will nicht mehr andern Göttern opfern und Brandopfer darbringen, sondern allein dem HERRN. Nur darin wolle der HERR deinem Knecht gnädig sein: Wenn mein König in den Tempel Rimmons geht, um dort anzubeten, und er sich auf meinen Arm lehnt und ich auch anbete im Tempel Rimmons, dann möge der HERR deinem Knecht vergeben. Elisa sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden!

Mich hat Naamanns Haltung beeindruckt. Er bekennt, dass er zum Glauben an den Gott Israels gefunden hat, den Gott Elisas, Moses und Abrahams. Und er hat gemerkt, dass dieser Gott unvergleichlich ist. All die andern Götter, die er in Aram oder in Babylonien gesehen hat, die können da nicht mit. „Es ist kein Gott in allen Landen, außer in Israel,“ sagt er.

Und dann sagt er, dass er daraus Konsequenzen ziehen wird: Er will nicht mehr andern Göttern opfern, außer allein diesem Gott.

So ist das eine wunderbare Bekehrungsgeschichte. Der Glaube des Fremden wird zum Vorbild für das Volk Israel.

Wird der Fremde aber diesen Glauben leben können? Wie ist das, wenn er wieder in seiner Heimat ist?

Hier nimmt die Geschichte noch einmal eine Wendung zum Thema des Miteinanders der Religionen. Ganz klar ist: Naamann glaubt und das soll auch so bleiben. Aber er sieht sich in Zusammenhänge kommen, wo andere anders glauben. Und dann wird er auch erneut in seinem Amt sein und seine Pflicht tun müssen. Da kommt es wieder zu der Unterscheidung zwischen Amt und Menschsein. So wie ich eingangs von der Unterscheidung von Pflicht und Menschlichkeit sprach.

Naamann geht davon aus, dass er in seinem Amt seine Rolle ausfüllen muss und das auch tun wird. Wenn sein Chef, der König, in den Tempel seines Gottes geht, dann wird er mitgehen müssen und ihn stützen. Das ist menschlich und dienstlich geboten. Er wird das aber nur auf dieser förmlichen Ebene tun. Wenn er dort mit dem König die Verbeugung machen wird, dann wird er innerlich doch beim Gott Israels sein. Das, so bittet Naamann, möge der Gott Israels ihm zugeben und dazu möge der Prophet ihm den Segen geben.

Elisa lässt ihn so ziehen. Er sagt nicht, dass es genau so richtig ist. Das bleibt offen. Aber er sagt: „Zieh hin mit Frieden!“

Ich denke, dass diese religiöse Toleranz des Naamann uns auch ein Vorbild sein kann. Es ist eine Toleranz bei gleichzeitiger Überzeugtheit von der Absolutheit des lebendigen Gottes.

Viele von uns leben in unterschiedlichen Zusammenhängen mit Menschen, die nicht oder anders glauben. Das ist in vielen Ehen so. Da muss man äußerliche Kompromisse machen. Da kann man vielleicht nicht jeden Sonntag weg sein und zum Gottesdienst kommen, obwohl es besser wäre. Naamann macht vor, dass er äußerliche Kompromisse eingehen kann und innerlich dabei voll auf Gott vertraut.

Er wird nicht der sein, der nun selbst zum babylonischen Gott ruft. Wenn er gefragt wird, dann wird er seinen Glauben an den Gott Israels bekennen und von seiner Erfahrung mit ihm erzählen. Aber er kann mitleben in der anderen Kultur.

Bei uns passiert das, wenn Muslime Weihnachten irgendwie mitmachen. In anderen Ländern wird es Christen so gehen, wie Naamann, bis heute. Ich musste diese Woche an die palästinensische Ministerin denken, die im Evangelischen Gemeindeblatt kam. Sie arbeitet als einzige Christin in einem arabischen Kabinett arbeitet. Allerdings hat sie im Interview dazu nichts gesagt.

Gut gelebte religiöse Toleranz und Frieden unter den Religionen erfordert, dass wir den andern leben lassen. Im Dialog soll sich gegenseitiger Respekt zeigen. Zugleich gehört in den Dialog die Fähigkeit zum Zeugnis und zur einladenden Verkündigung – als ein Recht für beide Seiten. Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass der Glaube einen Wahrheitsanspruch hat, der nicht ausgeklammert werden kann.

Wichtig ist, dass Unterschiede stehen bleiben können. Das Wort ist Mittel des Dialogs, auch des kritischen Dialogs. Nie darf Machtausübung durch Geld und Gewalt den religiösen Dialog bestimmen.

Naamann verschwindet mit seiner Rückfahrt im Dunkel der altorientalischen Geschichte. Ich hätte ihm gewünscht, dass er seinen Vorsatz leben kann. Hoffentlich hat er den Glauben an den lebendigen Gott bewahren können und ist glücklich dabei geblieben. Und natürlich wünsche ich das uns auch, uns hier, denen in der Fremde, den Fremden, die zu uns kommen. Amen.


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