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Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias
2.Könige 5,1-19 Die Heilung Naamans
Thema:  Eine wunderbare Geschichte 

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 22.01.2006 in Hemmingen

 

Liebe Gemeinde!

 

Zuerst:

Erzählen der Geschichte aus der Sicht eines Beteiligten ...

 

Verkleiden brauche ich mich dazu nicht,

das müssen Sie sich jetzt denken

und sich im Geiste versetzen in eine ganz andere Zeit,

ca. 860 vor Christus.

Wir sind in der betriebsamen Stadt Damaskus in Syrien,

damals die Hauptstadt des Königs von Aram.

 

Salam,

liebe Menschen von Hemmingen!

Mein ganzes Leben hatte ich nie gedacht,

dass ich einmal eine Geschichte mit eurem Gott erleben würde.

Bis eines Tages doch geschah –

aber dazu erst mal der Reihe nach.

 

Ich hatte mich in Damaskus mit den Jahren ein bisschen hochgearbeitet,

vom Stallburschen über den Hausdiener

bis zum persönlichen Diener meines Herrn.

 

Mein Herr hatte ein großes Haus

und noch größer war sein Amt,

das er ausfüllte:

Er war der Feldhauptmann unseres Königs.

Ich kann euch sagen,

er war so ziemlich der beste Mann im Land.

Naaman hieß er,

in eurer Sprache würde das etwa „lieblich“ heißen.

Er sah gut aus und war stark,

und vor allem hatte er den Überblick,

gerade dann, wenn es gefährlich oder hektisch wurde.

 

Da konnte er manchmal auch gar nicht lieblich sein,

speziell für unsere Gegner!

Seit Naaman Feldhauptmann im Lande war,

hatten wir Sieg an allen Fronten.

Da saß er dann auf seinem Ross

und wirbelte durch die Linien.

 

Das war besonders wichtig gegenüber dem König von Israel.

Mit dem hatten wir eine Art Dauerkrieg.

Kaum ein Jahr ohne eine Schlacht.

Weit unten lag Ägypten,

weit im Osten Babylon

und Israel und wir Aramäer kämpften um die Vorherrschaft dazwischen.

 

Naaman hatte uns Aramäern Vorderwasser gebracht.

Das hat sich auch für ihn persönlich ausgewirkt.

Einmal brachte er vom Feldzug eine wunderschöne

junge Israelitin mit und schenkte sie seiner Frau als Hausmagd.

 

Mit der habe ich mich ganz gern unterhalten,

wenn wir gerade frei hatten oder uns trafen.

Ich habe sie immer bewundert,

weil sie so eine aufrechte Haltung hatte

trotz ihrer Gefangenschaft.

Sie hatte so eine innerliche Stärke

und einen festen, von viel Liebe geprägten Blick

in ihrem dunklen Gesicht.

 

Sie sagte mir:

„Das kommt von Gott.

Er ist bei mir auch hier in Damaskus!“

Sie glaubte tatsächlich ganz fest,

dass ihr Gott auch in Damaskus bei ihr war,

nicht nur in ihrem Heimatland.

Ich sagte dann:

„Was du nicht sagst!

Jede Stadt hat doch ihren Gott,

so wie es viele Sterne am Himmel gibt.

Was willst du denn?

Dein Gott ist jetzt weit weg von dir!“

Dann schüttelte sie traurig den Kopf:

„Nein, nein,

da hast du nicht recht!

Unser Gott hat die ganze Welt geschaffen.

Er ist überall.

Aber man sieht ihn nicht.

Er wohnt nicht in Statuen und Tempeln,

sondern im Herzen derer, die Glauben.“

 

Die Geschichte, von der ich euch erzählen will,

die machte mir klar,

dass der Gott Israels tatsächlich ein ganz anderer Gott war

als alles, was wir in Damaskus kannten.

 

Es fing damit an,

dass mein Herr

Naaman eines Tages eine schreckliche Entdeckung machte.

Wir waren gerade vom Übungsplatz nach Hause gekommen.

Ich nahm ihm die Rüstung ab

und trug seine Sachen in die Wäschekammer,

als er plötzlich schrie.

„Aussatz!“ hörte ich ihn rufen.

„Ich habe den Aussatz.“

 

Ich sollte mir die Stelle anschauen:

Tatsächlich! Die Haut verfärbt, weißlich,

die untrüglichen Zeichen der tödlichen Krankheit.

 

Naaman zog sich sofort zurück

und ich musste alle im Haus alarmieren.

Keine Berührung mehr mit ihm!

Der Aussatz ist ansteckend wie die Pest.

 

Wir standen am Abend alle betreten im Hof.

Wie würde das jetzt gehen?

Unser Herr würde sterben,

das taten fast alle, die den Aussatz bekamen.

 

Auch die israelitische Magd sah betroffen aus.

Und doch war sie die einzige,

die von Hoffnung sprach.

„Ich habe vorhin gleich meiner Herrin erzählt“,

sagte sie,

„dass bei uns in Israel ein Profet unseres Gottes lebt,

der im Namen Gottes alles tun kann.

Auch Kranke werden da gesund!“

 

Und seufzend setzte sie hinzu:

„Wie gut wäre es, wenn wir Frieden hätten und

unser Herr dort hinfahren könnte!“

 

Wir wussten da noch gar nicht,

dass unsere Herrin

die Worte der Magd gleich ihrem Mann weitersagte.

Und der,

kühn wie er war,

war sofort zum König gegangen und ihm das erzählt

und gesagt,

dass das ja nun wohl seine einzige Hoffnung sei.

 

Am nächsten Morgen rief Naaman laut aus seiner Kammer,

dass wir sofort seinen Wagen richten sollten.

Als ich vor ihn kam,

sagte er mir:

„Wir ziehen nach Israel!

Der König hat mir ein Empfehlungsschreiben mitgegeben.

Er meint, dass die Gelegenheit günstig sei wie selten.

Dieses Jahr hatten wir noch keinen Krieg.

Wir spannen jetzt ein

und am Stadttor treffen wir noch einmal eine Wagenkolonne,

die mit 10 Zentnern Silber

und 6000 Goldgulden

und 10 Feierkleidern mit uns ziehen wird.“

 

Natürlich spannten wir sofort an.

Naaman nahm seinen geschlossenen Wagen.

Keiner durfte mit ihm hinein.

Ich und einer meiner Mitknechte

saßen zu zweit vorn und trieben die Pferde an.

So schnell sollte noch selten eine Kutschfahrt

von Damaskus nach Samaria gefahren sein!

 

Nachdem wir die Golanhöhen herunter gekommen waren

überquerten wir den Jordan.

Das war das armselige Flüsschen,

von dem Israel sein Wasser bekam!

 

Dank etwas Silber und der Empfehlung

kamen wir tatsächlich

ohne großen Aufenthalt rasch durch.

Die Israeliten hatten

einen Grenzposten vorausgeschickt

und so waren wir schon angemeldet,

als wir in Samaria einfuhren.

 

Vor dem Palast des Königs von Juda,

befahl mir Naaman:

Bring dem König den Brief!

Ich sprang ab,

wurde vorgelassen

und neigte mich tief vor dem König zur Erde.

 

In der Miene des Königs

spürte ich Feindschaft und Unsicherheit.

Er ließ den Brief von einem Schreiber vorlesen:

„König von Israel,

wenn dieser Brief zu dir kommt,

siehe, so wisse,

ich habe meinen Knecht Naaman zu dir gesandt,

damit du ihn von seinem Aussatz befreist.“

 

Da fuhr der König von Israel auf,

warf als Zeichen seiner Erregung seinen Mantel davon

und rief:
“Ja, bin ich denn Gott,

dass ich töten und lebendig machen könnte?“

 

Er blickte mich finster an

und ließ dann blitzend seinen Blick

durch seinen Hofstaat schweifen:

„Ich soll den Mann von seinem Aussatz befreien,

diesen wildesten aller Feinde?

Der König von Damaskus sucht Streit!

Merkt ihr das?“

 

Er wies mich nach draußen

und sagte:

„Warte! Wir werden in einem Augenblick beraten.“

Mir wurde angst und bange.

Wenn es heute schlecht ausging,

dann waren wir in der Höhle des Löwen gefangen.

 

Aber es kam doch anders.

Nach etlichen Minuten rief mich der König herein.

„Hör zu!“ sagte er.

„Der Profet unseres Gottes hat von eurem Kommen gehört

und hat uns beschieden,

dass ihr in friedlicher Absicht da seid.

Er lässt euch rufen.

Hier ist ein Mann,

der euch den Weg dorthin zeigt.“

 

Ich verneigte mich einige Male

zum Boden und dann zogen wir ab.

Mit unseren Pferden und Wagen

klapperten wir durch die Straßen der Stadt

und kamen schließlich zu einem Haus.

Unser Führer sagte:

„Das ist das Haus Elisas,

des Profeten Gottes.“

Mit diesen Worten verschwand er im Haus.

 

Ich sah meinen Herrn misstrauisch

aus dem Fenster des Wagens blicken.

Führte uns der König von Israel etwa in die Irre?

Dieses Haus war kein besonderer Ort.

Waren wir nicht angemeldet?

Warum trat der Profet nicht heraus

uns zu empfangen?

 

Doch da kam der Mann wieder zurück.

Er klopfte an die Seite unseres Wagens

und blickte meinem Herrn in die Augen

und rief:
“Elisa, der Profet, lässt dir sagen:

Geh und wasch dich

7 Mal im Jordan,

so wird dir dein Fleisch wieder heil

und du wirst vom Aussatz rein werden!“

 

Als er das gesagt hatte,

machte er sich denn gleich zurück auf den Weg in die Stadt

und verschwand.

Wir standen da in der Hitze des Tages

und einen Augenblick sagte keiner etwas.

 

Wir waren doch gekommen

um beim König vorzusprechen!

Wir waren davon ausgegangen,

dass wir beim Haus des Profeten

zu einem Tempel des Gottes Israels kommen

und dass er in einer mächtigen Zeremonie

seinen Gott anrufen würde!

 

Aber hier wurden wir zu Bettlern gemacht

und ohne jede Gabe sitzengelassen!

 

Naaman erkannte,

dass seine Würde nicht geachtet wurde.

Er wurde zornig

und rief heraus:

„Los, anpeitschen,

wir fahren auf dem kürzesten Weg zurück

in unser Land.

Ich habe geglaubt,

dass der Profet herauskommt

und seinen Gott anrufen wird

in einem feierlichen Ritual

zum Tempel hin,

damit ich meinen Aussatz loswerde.

 

Was soll das, was er jetzt gesagt hat?

Unsere Flüsse Abana und Parpar

sind doch um Klassen besser

als alles, was die in Israel haben.

Dort kann ich mich eher waschen und rein werden.“

 

Wir fuhren die Berge von Samaria wieder hinab.

Wir beide vorn auf dem Kutschbock

hatten zwar alle Hände voll zu tun,

aber wir mussten auch diskutieren.

Wie war das nun?

Mir fiel immer wieder das Mädchen ein,

das uns auf die Idee dieser Reise gebracht hatte.

Es war so stark,

obwohl sie eine Gefangene war,

entwurzelt und misshandelt.

Aber sie hatte ihren Glauben

und war überzeugt davon,

dass ihr Gott bei ihr war.

 

Und wir hatten unseren Herrn Naaman,

der zwar stark aussah und viele Waffen und Wagen besaß,

aber so hilflos war,

wenn es darum ging,

was er glauben sollte und wem er vertrauen konnte.

Keiner der Götter aus Damaskus war mit uns gefahren.

Die ganze Heeresmacht hatte uns verlassen.

 

Uns wurde immer klarer,

dass das Mädchen in der Gefangenschaft

stärker war als wir mit unseren Wagen.

Es konnte vertrauen.

Naaman konnte nicht vertrauen.

Er wollte sehen.

Er wollte einen großen Auftrieb haben.

Er glaubte an die Macht der Gewalt.

Diesen Eindruck hatten wir übrigens auch vom König von Israel,

während der Profet

in seiner Unnahbarkeit etwas vom Vertrauen der Magd ausstrahlte.

Dieser Profet wollte,

dass unser Herr mit gar nichts als dem Wort seines Gottes

in den Jordan stieg.

 

Während wir so sprachen,

kamen wir wieder im Jordantal an

um das Flüsschen wieder zu überqueren.

Wir fuhren es ein Stück entlang zur nächsten Furt.

 

Irgendwie waren wir so gepackt von der Macht des Vertrauens,

dass wir beschlossen:

Wir halten an!

Die Kolonne hinter uns stand still.

 

Naaman schrie sofort von hinten.

„Los! Was fällt euch ein!“

Wir drehten uns erst einmal um

und sahen ihm in die Augen.

Wir mochten ihn.

Er war ein guter Herr,

wie ein Vater für mich geworden.

Ich sagte:

„Lieber Vater,

überleg mal:

Wenn dir der Profet gesagt hätte,

dass du das und das und das tun solltest

und alles Gold und Silber abliefern und so weiter,

damit du gesund wirst,

dann hättest du das wahrscheinlich getan.

Nicht wahr?

 

Warum tust du es dann nicht,

wenn er dir nur sagt,

dass du dich 7 Mal im Jordan waschen sollst?“

 

Naaman sagte nichts.

Wir schauten uns eine ganze Weile an.

Es arbeitete in ihm.

Noch nie hatten wir ihm etwas anderes empfohlen,

als das, was er selbst gesagt hatte.

 

Für ihn musste sich die ganze Welt verdreht haben.

Er war nicht der Feldherr,

er war in einem fremden Land,

und er sollte seinen Dienern etwas abnehmen.

Und wenn er es tat,

dann würde er nackt und ohne alle Zeichen seiner Macht

an diesem Wässerchen stehen

und etwas tun,

was ihm im Namen des fremden Gottes gesagt worden war.

Das Einfache war das Schwerste.

Er musste loslassen um zu gewinnen.

 

Ich spürte, dass er so dachte.

Ich sagte:

„Dein König hat dir nicht geholfen.

Der König von Israel auch nicht.

Der Profet auch nicht.

Wir können dir auch nicht helfen.

Allein der Gott, dessen Wort er spricht,

könnte auch hier bei dir sein.“

 

Da bewegte sich Naaman.

Er glitt zur Wagentür hinaus,

ging die paar Meter zum Fluss,

legte sein Gewand ab

und stieg hinein.

7 Mal nahm er das Wasser mit vollen Händen

und wusch sich vom Kopf bis Fuß.

 

Wir sprangen von den Wagen

und standen in etwas Entfernung

und schauten gebannt zu.

 

Mit einem Mal hörten wir ihn rufen!

„Leute! Es fühlt sich alles anders an!

Schaut her!

Ich spüre nichts mehr,

ich bin – ich bin geheilt!

Bringt mir frische Kleider,

wir müssen sofort zurück

zu dem Mann Gottes!“

 

Mein Herr sprang wie ein junges Kind.

Er zog sich an,

er setzte sich neben mich auf den Kutschbock

und trieb selbst die Pferde an.

Die ganze Kolonne machte kehrt

um zurückzufahren zu dem Gottesmann.

 

Unterwegs erzählten wir uns die ganze Geschichte noch einmal

von dem Mädchen und seinem Glauben

und dass wir jetzt selbst Zeugen dafür geworden waren,

dass der Gott Israels ein mächtiger Gott ist,

auch ohne Wagen und Silber und reißende Ströme.

 

Und noch etwas spürten wir:

Der Gott Israels musste der Gott aller Götter sein.

In allen Ländern,

wo Juden verstreut lebten, war er da,

und genauso konnten auch Menschen

aus allen Ländern an diesen Gott glauben.

Er wollte nur Vertrauen.

 

Naaman war begeistert.

Als wir beim Mann Gottes ankamen,

trafen wir ihn auch an.

Naaman sagte:

„Nun weiß ich,

dass kein Gott ist in allen Landen,

außer in Israel.

Ich werde keinem anderen Gott mehr irgenein Opfer bringen,

sondern allein den Gott Israels verehren!“

 

Er wollte dann noch dem Elisa,

dem Mann Gottes,

die Geschenke überbringen,

aber der wehrte das ab und sagte:

„So wahr der Herr lebt,

vor dem ich stehe,

ich nehme es nicht.“

 

Es war eine wunderbare Geschichte,

das kann ich euch sagen!

Und ich war froh,

dass ich dabei war

und dass ich zu denen gehören darf,

die den Gott Israels kennen!

 

Natürlich wäre noch viel zu erzählen,

aber die Zeit ist leider dafür jetzt nicht da ...

 

Liebe Gemeinde,

ja, es wäre noch mehr zu erzählen.

Ich will vor allem eines tun:

Diese biblische Geschichte jetzt noch einmal lesen,

damit Sie die Worte im Original noch hören

und sich die Einsichten des Knechtes von Naaman

dabei noch einmal durch den Kopf gehen lassen können.

Ich lese also den Predigttext

aus dem 2. Buch der Könige,

Kapitel 5, die Verse 1-17

 

--- TEXT ---

 

Wenige Nachsätze will ich noch machen:

1) Auch wir denken in Bezug auf Gott oft

nur an Kirchenmitgliedschaft, Konfirmationstermine,

Konfessionen,

an Rituale oder an die Anerkennung von Menschen.

Elisa,

der sich nicht zeigt,

weist hin auf das, worauf es vor allem ankommt:

Wie ich allein vor meinem Gott bin

und vertraue.

 

Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang

auf die Mägde und Diener, die Kinder und die Armen zu hören, weil die die Verhältnisse von der Wurzel her kennen und sich vielleicht mit dem kindlichen Vertrauen leichter tun.

 

Schließlich:

3) Gott kann Wunder tun. Davon erzählt die Geschichte.

Das lässt sich aber nicht erzwingen.

Während wir keine spektakulären Wunder erleben,

sollten wir das aus der Geschichte nehmen,

was auch wir erleben:

Glauben ist Vertrauen

und wir müssen dazu alle Äußerlichkeiten erst einmal ablegen.

 

Und manchmal dürfen wir auch in dem,

was wir erleben, ein Wunder Gottes erblicken –

auch wenn es zum Beispiel

eine in Anführungszeichen „ganz normale“ Genesung ist.

 

Jeder Sieg über eine Krankheit erinnert an das Wunder des Lebens.

Amen.

 

 

Diese letzten Überlegungen haben mich auch zum nächsten Lied geführt:

Es ist ein Lied von der Dankbarkeit nach dem Gesundwerden.

(EG 383).

Für manche passend, für andere im Voraus, für andere in stiller Hoffnung ...

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