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Predigt zum 12. Sonntag nach Trinitatis
Reihe VI
1. Korinther 3,9-15: Gottes Mitarbeiter
Thema: Bauen nach CIN

Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach
gehalten am 18.08.2002 in der Kreuzkirche Sigmaringen  
 

Liebe Gemeinde in der Kreuzgemeinde Sigmaringen,

sehr gespannt war ich heute morgen auf Ihre Kirche hier! Wie würde wohl die Kreuzkirche aussehen? Und wie sieht die Kreuzgemeinde dazu aus? Das erstere, die Steine, Holz, Glas, Farbe usw., das kann ich als Neuling hier relativ schnell wahrnehmen. Schwieriger steht es um das Letztere, die Gemeinde, die inneren Verhältnisse und erst recht die innersten Einstellungen von uns allen hier und von denen, die zur Gemeinde gehören, aber gar nicht hier mit im Raum sind.  Nun, solche Gedanken gehen mir in der Regel immer durch den Kopf, wenn ich in eine fremde Gemeinde komme. Heute aber waren sie mir besonders bewusst, denn unser Predigttext gibt uns den Blick auf den Bau der Gemeinde auf. Paulus benutzt dort den Vergleich mit einem Bauwerk, um auf besonders wichtige Grundlagen im Bau der Gemeinschaft hinzuweisen. 

Blick in die Kirche(nbaugeschichte): Kreuzkirche

Bevor ich Ihnen nun den Predigttext vortrage, möchte ich mit Ihnen Ihre Kreuzkirche anschauen. Von Ihr wusste ich bis heute morgen nur den Namen, aber der versprach, dass die Kirche besonders gut zu den Worten von Paulus passen könnte.     Die Kreuzkirche ist auf einem Grundstück erbaut. Das könnte man als Selbstverständlichkeit bezeichnen. Aber es ist doch auch ein besonderes, das Grundstück (Lage?). Im Unterschied zu dem, was auf dem Grundstück steht, ist der Boden selbst nämlich nicht von Menschen gemacht worden, sondern hat als Grundlage bereits vorgelegen. Der Grund war gewissermaßen bereits gelegt, als man begann, hier vor (ca. ?? Jahren) der gottesdienstlichen Gemeinde ein Haus zu bauen.  Zum Bau gab es dann viele Menschen mit vielerlei Aufgaben: Einen Architekten, der den Plan lieferte, andere, die darauf fußend die Mauern aufrichteten, wieder andere, die für den Innenausbau zuständig waren, solche, die für den letzten Schliff sorgten und andere, die die Einweihung vorbereiteten. Damit sind längst nicht alle genannt.  Aber es ist deutlich, dass zu einem großen Bau eine Vielzahl von Beteiligten gehört und das Ganze funktioniert nur, wenn die verschiedenen Aufgaben im Sinne des Ganzen erledigt werden. Dazu bedarf es ständiger Absprachen und Streit unter den Bauleuten muss vermieden werden.  Nur so gelingt das Bauwerk und hat Bestand, auch wenn Krisen und Wetterangriffe kommen. 

  Text und Lesung

So weit erst einmal zum Bau Ihrer Kreuzkirche. Wir sind damit schon ganz dicht am Text aus 1. Korinther 3. Paulus geht es dort um den Bau der Gemeinde und er bekämpft eben dieses Problem, dass durch Streit unter den Mitarbeitern der ganze Bau Schaden leidet.  Ich lese die Verse 9-15:

9 Denn wir sind Gottes Mitarbeiter (synergoi, Mitwirker); ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau (Hausbau). 10 Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister (architektwn); ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. 11 Einen andern Grund kann niemand legen als den, der (von mir) gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 12 Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, 13 so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag [des Gerichts] wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. 14 Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. 15 Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Haben Sie es gehört? Der Grund ist gelegt, das Grundstück hat Gott gegeben und damit auch vorgegeben: Das Grundstück der Gemeinde ist Jesus Christus. Wenn man als Zeichen für Jesus Christus an das Kreuz denkt, dann ist der Grund das Kreuz. Darauf wollte auch die Kreuzgemeinde bauen.  Und Paulus bezeichnet sich als Architekton, als weisen Baumeister, der die Grundlagen legen half. Danach kamen andere und bauten an der Gemeinde weiter. Jetzt muss Paulus aus der Ferne hören, dass Streit in der Gemeinde ist und dass die einen sich auf Paulus berufen und die andern auf die Weiterbauer. Dagegen erhebt er Einspruch: Grundlegung und Weiterbau lassen sich nicht trennen, sie sind gleichrangige, aber eben verschiedene Aufgaben für Menschen, die auf Gottes Baustelle mitarbeiten. Die Gemeinde, so Paulus, soll sich vielmehr einigen und jeder und jede soll auf die Qualität dessen achten, was er oder sie baut. Um das zu entfalten, entwickelt Paulus drei Einsichten, die ich heute herausstreichen will:  Die erste: 1. Der Grund ist gelegt: Das Wichtigste ist bereits getan! 2. Die Aufgaben unterscheiden sich: Tu das Deine! 3. Die Qualitäten unterscheiden sich: Tu das Deine gut!  Zum Ersten: 

Der Grund ist gelegt: Das Wichtigste ist bereits getan!

Das Wichtigste hat Gott bereits getan! Paulus benutzt für sich den Begriff "synergos", den wir im deutschen Fremdwort "Synergie" auch haben. Es bedeutet Mitwirkung. Leute, die in Gottes Reich und in Gottes Auftrag arbeiten, sind Mitwirkende. Sie wirken nicht selbstständig und aus eigener Kraft, sondern auf der Basis dessen, was Gott durch Jesus Christus und sein Kreuz bereits getan hat.  Diesen Grund Jesus hat die Lutherbibel in so richtig feste Worte gegossen, die das Fundamentale, das Stabile und Haltgebende zum Ausdruck bringen: "Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Christus Jesus."  Die Entdeckung an diesem Text war für mich, dass das ja für eine Botschaft an Mitarbeiter eine ungewöhnliche, aber umso wohltuendere, ja bestärkende Botschaft ist:  Leute im Reich Gottes sind bereits auf dem festen Boden. Die Mitarbeiter haben das Wichtigste schon und müssen es sich nicht durch ihre Mitarbeit erst verdienen.  Jeder Einzelne kann aus der Zusage, dass Gott das Entscheidende schon getan hat, zweierlei Schlüsse ziehen: Er kann sagen: "Gut, dann brauche ich ja nichts zu tun!" Er kann aber auch sagen: "Wunderbar. Das macht mich frei von der Angst zu versagen. Ich kann mich einbringen, weil ich getragen werde von Jesus Christus."  Was für Leute sich Paulus da wünscht, ist nicht schwer zu erraten: Natürlich sind Christen aufgerufen, nun frei und mit Mut und Hoffnung ans Werk zu gehen.  Damit kommen wir zum Zweiten:

Die Aufgaben unterscheiden sich: Tu das Deine!

Das Gute an dem Streit in Korinth entspricht der Grundlage: Immerhin geht es nicht um das Erstrangige, nämlich um die Christusfrage. Jesus Christus ist bereits für beide Parteien die Grundlage.  Es geht um das Zweite, die Folge, um die menschliche Antwort auf Gottes Grundlegung, um die menschliche Arbeit, um die Gestaltung der Gemeinschaft in der Gemeinde und um den Bau des Reiches Gottes.   Das ist zwar zweitrangig, aber doch enorm wichtig. Gemeinde braucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und sie müssen zusammenarbeiten, wenn der Bau gelingen soll.  Und zur Zusammenarbeit gehört eben auch die Aufgabenteilung, dass der eine dieses und die andere jenes tut. Die einen planen, die andern führen aus, die dritten pflegen.  Entscheidende Einsicht für alle muss sein, dass aufgrund der Grundlage in Jesus Christus alle Aufgaben vollen Wert haben: Zu einer funktionierenden Gemeinschaft braucht es die vielen unterschiedlichen Dienste.  Jeder soll dort nach seinen Gaben das Seine tun können.  Wenn man nun ähnlich wie vorhin von der Kreuzkirche ein Schaubild von der Kreuzgemeinde malen würde, hätten dann die vielen Gaben der Glieder der Gemeinde dort Platz? Das Fundament wäre Jesus Christus, darauf aufbauen würde in diesem Schaubild all das, was hier in der Gemeinde zum Aufbau im Sinne Jesu getan wird.  Als Außenstehender kann ich nicht einmal ahnen, welche Dienste in Ihrer Gemeinde getan werden, wie viele unterschiedliche Gaben hier zum Einsatz kommen. Ich wünsche Ihnen lediglich, dass Sie die unterschiedlichen Gaben pflegen und dass Sie persönlich Ihren Platz für die Mitarbeit im Reich Gottes haben. Das muss ja gar kein Amt sein wie Kirchengemeinderat oder Hausmeister. Genauso wichtig sind Dienste mit der Hand, oder soziale Kontakte in der häuslichen und nachbarschaftlichen Diakonie, oder das stille Gebet für die andern zuhause.  Zum Dritten:

Die Qualitäten unterscheiden sich: Tu das Deine gut!

In diesen Tagen bewegen uns die Bilder aus Sachsen. Wir waren selbst in der letzten Woche bei Leipzig im Urlaub und wir haben den superstarken Regen mitbekommen, freilich ohne von den Überschwemmungen betroffen zu sein.  Manchen Menschen wird nicht nur alles nass, sondern es stürzt sogar das Haus zusammen. Mich erinnerte das in der Vorbereitung an Jesu Gleichnis vom Hausbau: Das Haus auf dem Felsen steht fest, ein Haus auf dem Sand aber wird von der Flut weggeschwemmt.  Das ist ganz ähnlich wie das, was Paulus hier beschreibt. Nur erzählt er vom Feuer statt vom Wasser. Es gibt eine Bauqualität, die dem Feuer standhält, und andere, die das Feuer noch mit anfacht.  Was Paulus in Materialien ausdrückt, drücken wir heute im Bauwesen mit Feuerfestigkeitsklassen nach DIN aus.  Um die Details geht es Paulus aber gar nicht. Es reicht, wenn der grundsätzliche Unterschied erkannt wird: Edelstein kommt anders aus dem Feuer heraus als Holz und Stroh. Es gibt in unserer Arbeit Ergebnisse, die sozusagen "gerichtsfest" und andere, die einmal vor dem Horizont der Ewigkeit wie weggeblasen sein werden.  Wie Paulus hier vom Gericht redet, tut mir gut. Das Gericht ist ja die Sichtung der Dinge und Taten im Horizont der Ewigkeit. Und mir tut hier gut, dass Paulus festhält, dass kein Christ das Gericht fürchten muss. So hat es Jesus auch gesagt. Die Grundlage, die Gott für jeden gelegt hat, die bleibt gewiss. Nur das, was wir selbst aufgebaut haben, das teilt sich in Beständiges und Unbeständiges.  Und Paulus appelliert daran, dass wir das Beständige suchen. Wir sollen uns nicht an das halten, was vor Menschenaugen schnell nach etwas aussieht, sondern an das, was Ewigkeitswert hat. Das kann reichlich unscheinbar sein. So drückte das vorhin auch die Schriftlesung aus dem Propheten Jesaja aus: Die Tyrannen können dann beschämt dastehen, während die Kleinen erhoben werden.  Auch davon sprechen die Bildworte von Paulus, denn Stroh ergibt schnell große Haufen, aber Gold und Edelstein sind kleine Edelstücke.  Noch in einer andern Richtung tut es gut, dass und wie Paulus vom Gericht spricht: Eben dort ist die Entscheidungsinstanz und nicht hier und jetzt bei den Menschen. Das soll uns davor bewahren, den Ewigkeitswert der Taten anderer zu kalkulieren. Wichtig ist nicht der Blick zurück, sondern der Blick nach vorn. Wir sollen darauf zielen, das, was wir tun, auch gut zu machen. Als Kriterium dafür zieht sich bei Paulus durch alle seine Briefe die Verbindung zu dem von Gott gelegten Fundament:  Jesus Christus, das ist das Fundament der Liebe, der Einheit der Gemeinde und des Friedens. In dieser Richtung sollen wir bauen. Das ist sozusagen die Christusnorm.  Wenn es also im Bauwesen um die Feuerfestigkeit nach DIN geht, dann geht es im Gemeindebau um die Gerichtsfestigkeit nach CIN. Ce-i-enn für Christus ist die Norm.  Ich wünsche uns allen, ob wir nun mitarbeiten in der Kreuzgemeinde hier oder anderswo, dass wir Mitarbeiter Gottes nach CIN sind und bleiben. Die Grundlage ist von Gott ja gelegt! Amen.

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