Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach
gehalten am 18.08.2002
in der Kreuzkirche Sigmaringen
Liebe
Gemeinde in der Kreuzgemeinde Sigmaringen,
sehr
gespannt war ich heute morgen auf Ihre Kirche hier! Wie würde wohl die
Kreuzkirche aussehen? Und wie sieht die Kreuzgemeinde dazu aus? Das erstere, die
Steine, Holz, Glas, Farbe usw., das kann ich als Neuling hier relativ schnell
wahrnehmen. Schwieriger steht es um das Letztere, die Gemeinde, die inneren
Verhältnisse und erst recht die innersten Einstellungen von uns allen hier und
von denen, die zur Gemeinde gehören, aber gar nicht hier mit im Raum sind. Nun, solche Gedanken gehen mir in der
Regel immer durch den Kopf, wenn ich in eine fremde Gemeinde komme. Heute aber
waren sie mir besonders bewusst, denn unser Predigttext gibt uns den Blick auf
den Bau der Gemeinde auf. Paulus benutzt dort den Vergleich mit einem Bauwerk,
um auf besonders wichtige Grundlagen im Bau der Gemeinschaft hinzuweisen.
Blick in die Kirche(nbaugeschichte):
Kreuzkirche
Bevor
ich Ihnen nun den Predigttext vortrage, möchte ich mit Ihnen Ihre Kreuzkirche
anschauen. Von Ihr wusste ich bis heute morgen nur den Namen, aber der
versprach, dass die Kirche besonders gut zu den Worten von Paulus passen
könnte. Die
Kreuzkirche ist auf einem Grundstück erbaut. Das könnte man als
Selbstverständlichkeit bezeichnen. Aber es ist doch auch ein besonderes, das
Grundstück (Lage?). Im Unterschied zu dem, was auf dem Grundstück steht, ist der
Boden selbst nämlich nicht von Menschen gemacht worden, sondern hat als
Grundlage bereits vorgelegen. Der Grund war gewissermaßen bereits gelegt, als
man begann, hier vor (ca. ?? Jahren) der gottesdienstlichen Gemeinde ein Haus zu
bauen. Zum Bau gab es dann viele
Menschen mit vielerlei Aufgaben: Einen Architekten, der den Plan lieferte,
andere, die darauf fußend die Mauern aufrichteten, wieder andere, die für den
Innenausbau zuständig waren, solche, die für den letzten Schliff sorgten und
andere, die die Einweihung vorbereiteten. Damit sind längst nicht alle
genannt. Aber es ist deutlich, dass
zu einem großen Bau eine Vielzahl von Beteiligten gehört und das Ganze
funktioniert nur, wenn die verschiedenen Aufgaben im Sinne des Ganzen erledigt
werden. Dazu bedarf es ständiger Absprachen und Streit unter den Bauleuten muss
vermieden werden. Nur so gelingt
das Bauwerk und hat Bestand, auch wenn Krisen und Wetterangriffe kommen.
Text und
Lesung
So
weit erst einmal zum Bau Ihrer Kreuzkirche. Wir sind damit schon ganz dicht am
Text aus 1. Korinther 3. Paulus geht es dort um den Bau der Gemeinde und er
bekämpft eben dieses Problem, dass durch Streit unter den Mitarbeitern der ganze
Bau Schaden leidet. Ich lese die
Verse 9-15:
9
Denn wir sind Gottes Mitarbeiter (synergoi, Mitwirker); ihr seid Gottes
Ackerfeld und Gottes Bau (Hausbau). 10 Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben
ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister (architektwn); ein anderer
baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. 11 Einen andern Grund
kann niemand legen als den, der (von mir) gelegt ist, welcher ist Jesus
Christus. 12 Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz,
Heu, Stroh, 13 so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag [des
Gerichts] wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von
welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. 14 Wird jemandes Werk
bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. 15 Wird aber
jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird
gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.
Haben
Sie es gehört? Der Grund ist gelegt, das Grundstück hat Gott gegeben und damit
auch vorgegeben: Das Grundstück der Gemeinde ist Jesus Christus. Wenn man als
Zeichen für Jesus Christus an das Kreuz denkt, dann ist der Grund das Kreuz.
Darauf wollte auch die Kreuzgemeinde bauen. Und Paulus bezeichnet sich als
Architekton, als weisen Baumeister, der die Grundlagen legen half. Danach kamen
andere und bauten an der Gemeinde weiter. Jetzt muss Paulus aus der Ferne hören,
dass Streit in der Gemeinde ist und dass die einen sich auf Paulus berufen und
die andern auf die Weiterbauer. Dagegen erhebt er Einspruch: Grundlegung und
Weiterbau lassen sich nicht trennen, sie sind gleichrangige, aber eben
verschiedene Aufgaben für Menschen, die auf Gottes Baustelle mitarbeiten. Die
Gemeinde, so Paulus, soll sich vielmehr einigen und jeder und jede soll auf die
Qualität dessen achten, was er oder sie baut. Um das zu entfalten, entwickelt
Paulus drei Einsichten, die ich heute herausstreichen will: Die erste: 1. Der Grund ist gelegt: Das
Wichtigste ist bereits getan! 2. Die Aufgaben unterscheiden sich: Tu das Deine!
3. Die Qualitäten unterscheiden sich: Tu das Deine gut! Zum Ersten:
Der Grund ist gelegt: Das Wichtigste ist bereits
getan!
Das
Wichtigste hat Gott bereits getan! Paulus benutzt für sich den Begriff
"synergos", den wir im deutschen Fremdwort "Synergie" auch haben. Es bedeutet
Mitwirkung. Leute, die in Gottes Reich und in Gottes Auftrag arbeiten, sind
Mitwirkende. Sie wirken nicht selbstständig und aus eigener Kraft, sondern auf
der Basis dessen, was Gott durch Jesus Christus und sein Kreuz bereits getan
hat. Diesen Grund Jesus hat die
Lutherbibel in so richtig feste Worte gegossen, die das Fundamentale, das
Stabile und Haltgebende zum Ausdruck bringen: "Einen andern Grund kann niemand
legen als den, der gelegt ist, welcher ist Christus Jesus." Die Entdeckung an diesem Text war für
mich, dass das ja für eine Botschaft an Mitarbeiter eine ungewöhnliche, aber
umso wohltuendere, ja bestärkende Botschaft ist: Leute im Reich Gottes sind bereits auf
dem festen Boden. Die Mitarbeiter haben das Wichtigste schon und müssen es sich
nicht durch ihre Mitarbeit erst verdienen.
Jeder Einzelne kann aus der Zusage, dass Gott das Entscheidende schon
getan hat, zweierlei Schlüsse ziehen: Er kann sagen: "Gut, dann brauche ich ja
nichts zu tun!" Er kann aber auch sagen: "Wunderbar. Das macht mich frei von der
Angst zu versagen. Ich kann mich einbringen, weil ich getragen werde von Jesus
Christus." Was für Leute sich
Paulus da wünscht, ist nicht schwer zu erraten: Natürlich sind Christen
aufgerufen, nun frei und mit Mut und Hoffnung ans Werk zu gehen. Damit kommen wir zum
Zweiten:
Die Aufgaben unterscheiden
sich: Tu das Deine!
Das
Gute an dem Streit in Korinth entspricht der Grundlage: Immerhin geht es nicht
um das Erstrangige, nämlich um die Christusfrage. Jesus Christus ist bereits für
beide Parteien die Grundlage. Es
geht um das Zweite, die Folge, um die menschliche Antwort auf Gottes
Grundlegung, um die menschliche Arbeit, um die Gestaltung der Gemeinschaft in
der Gemeinde und um den Bau des Reiches Gottes. Das ist zwar zweitrangig, aber
doch enorm wichtig. Gemeinde braucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und sie
müssen zusammenarbeiten, wenn der Bau gelingen soll. Und zur Zusammenarbeit gehört eben auch
die Aufgabenteilung, dass der eine dieses und die andere jenes tut. Die einen
planen, die andern führen aus, die dritten pflegen. Entscheidende Einsicht für alle muss
sein, dass aufgrund der Grundlage in Jesus Christus alle Aufgaben vollen Wert
haben: Zu einer funktionierenden Gemeinschaft braucht es die vielen
unterschiedlichen Dienste. Jeder
soll dort nach seinen Gaben das Seine tun können. Wenn man nun ähnlich wie vorhin von der
Kreuzkirche ein Schaubild von der Kreuzgemeinde malen würde, hätten dann die
vielen Gaben der Glieder der Gemeinde dort Platz? Das Fundament wäre Jesus
Christus, darauf aufbauen würde in diesem Schaubild all das, was hier in der
Gemeinde zum Aufbau im Sinne Jesu getan wird. Als Außenstehender kann ich nicht einmal
ahnen, welche Dienste in Ihrer Gemeinde getan werden, wie viele unterschiedliche
Gaben hier zum Einsatz kommen. Ich wünsche Ihnen lediglich, dass Sie die
unterschiedlichen Gaben pflegen und dass Sie persönlich Ihren Platz für die
Mitarbeit im Reich Gottes haben. Das muss ja gar kein Amt sein wie
Kirchengemeinderat oder Hausmeister. Genauso wichtig sind Dienste mit der Hand,
oder soziale Kontakte in der häuslichen und nachbarschaftlichen Diakonie, oder
das stille Gebet für die andern zuhause.
Zum Dritten:
Die Qualitäten unterscheiden sich: Tu das Deine
gut!
In diesen Tagen bewegen uns die Bilder aus Sachsen. Wir waren selbst in der letzten Woche bei Leipzig im Urlaub und wir haben den superstarken Regen mitbekommen, freilich ohne von den Überschwemmungen betroffen zu sein. Manchen Menschen wird nicht nur alles nass, sondern es stürzt sogar das Haus zusammen. Mich erinnerte das in der Vorbereitung an Jesu Gleichnis vom Hausbau: Das Haus auf dem Felsen steht fest, ein Haus auf dem Sand aber wird von der Flut weggeschwemmt. Das ist ganz ähnlich wie das, was Paulus hier beschreibt. Nur erzählt er vom Feuer statt vom Wasser. Es gibt eine Bauqualität, die dem Feuer standhält, und andere, die das Feuer noch mit anfacht. Was Paulus in Materialien ausdrückt, drücken wir heute im Bauwesen mit Feuerfestigkeitsklassen nach DIN aus. Um die Details geht es Paulus aber gar nicht. Es reicht, wenn der grundsätzliche Unterschied erkannt wird: Edelstein kommt anders aus dem Feuer heraus als Holz und Stroh. Es gibt in unserer Arbeit Ergebnisse, die sozusagen "gerichtsfest" und andere, die einmal vor dem Horizont der Ewigkeit wie weggeblasen sein werden. Wie Paulus hier vom Gericht redet, tut mir gut. Das Gericht ist ja die Sichtung der Dinge und Taten im Horizont der Ewigkeit. Und mir tut hier gut, dass Paulus festhält, dass kein Christ das Gericht fürchten muss. So hat es Jesus auch gesagt. Die Grundlage, die Gott für jeden gelegt hat, die bleibt gewiss. Nur das, was wir selbst aufgebaut haben, das teilt sich in Beständiges und Unbeständiges. Und Paulus appelliert daran, dass wir das Beständige suchen. Wir sollen uns nicht an das halten, was vor Menschenaugen schnell nach etwas aussieht, sondern an das, was Ewigkeitswert hat. Das kann reichlich unscheinbar sein. So drückte das vorhin auch die Schriftlesung aus dem Propheten Jesaja aus: Die Tyrannen können dann beschämt dastehen, während die Kleinen erhoben werden. Auch davon sprechen die Bildworte von Paulus, denn Stroh ergibt schnell große Haufen, aber Gold und Edelstein sind kleine Edelstücke. Noch in einer andern Richtung tut es gut, dass und wie Paulus vom Gericht spricht: Eben dort ist die Entscheidungsinstanz und nicht hier und jetzt bei den Menschen. Das soll uns davor bewahren, den Ewigkeitswert der Taten anderer zu kalkulieren. Wichtig ist nicht der Blick zurück, sondern der Blick nach vorn. Wir sollen darauf zielen, das, was wir tun, auch gut zu machen. Als Kriterium dafür zieht sich bei Paulus durch alle seine Briefe die Verbindung zu dem von Gott gelegten Fundament: Jesus Christus, das ist das Fundament der Liebe, der Einheit der Gemeinde und des Friedens. In dieser Richtung sollen wir bauen. Das ist sozusagen die Christusnorm. Wenn es also im Bauwesen um die Feuerfestigkeit nach DIN geht, dann geht es im Gemeindebau um die Gerichtsfestigkeit nach CIN. Ce-i-enn für Christus ist die Norm. Ich wünsche uns allen, ob wir nun mitarbeiten in der Kreuzgemeinde hier oder anderswo, dass wir Mitarbeiter Gottes nach CIN sind und bleiben. Die Grundlage ist von Gott ja gelegt! Amen.
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