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Predigt zur Trauung von SIE und ER im Sommer 2003
1. Korinther 13,1-13

Predigt von Pfarrer z.A. Gunther Seibold, Urbach

Liebe SIE, lieber ER, liebe festliche Gemeinde,

Jesus

es ist schon eine Weile her, 2000 Jahre etwa, da kommt einer auf den staubigen und lauten Straßen Jerusalems zu Jesus, dem berühmten Wanderlehrer, und fragt:
"Meister, welches Gebot ist das wichtigste von allen?" Wie lebe ich am besten?
Und Jesus antwortet mit zwei Zitaten aus dem alten Testamet: "Du sollst Gott, den Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen Kräften." Das ist das eine. Das andere aber gehört dazu: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."
Liebe hoch drei! Liebe, sagt Jesus, ist das Wichtigste und das gleich drei Mal: Liebe Gott! Liebe deinen Nächsten! Liebe dich selbst! Wenn diese drei die drei Seiten der einen Liebe sind, dann passt es. Das ist das Größte! So weit diese Szene.

Paulus

Eine zweite spielt sich 20 Jahre später ab, in der Zeit des römischen Reiches, mit den griechischen Kulturstädten.
Da kommt eine Christengemeinde durch einen Boten mit einer Briefrolle zu Paulus. Der hatte diese Gemeinde einst gegründet und war dann nach einiger Zeit wieder weitergezogen. Nun hatte diese Gemeinde in Korinth aber Schwierigkeiten und Streit bekommen. Es ging um das Zusammenleben in der Gemeinde und vor allem im Gottesdienst. Damit kommen sie zu Paulus und bitten ihn um seinen Rat und seine Hilfe.
Paulus setzt sich hin und fertigt einen Brief an, den die Boten aus der Gemeinde wieder mitnehmen sollen. Dort heißt es zusammengefasst:
Kein Wunder, dass es bei euch zu Streit kommt! Alles, was ihr tut, ist ohne Liebe bloß ein Geschepper oder ein Geschwätz. Es hat keinen Wert. Wenn ihr Liebe untereinander hättet, wenn ihr die Liebe von Gott leben würdet, dann hättet ihr keinen Streit,
sondern könntet euch aushalten, ja ihr könntet freundlich sein zueinander, an einem Strang ziehen und euch die Wahrheit offen sagen ohne zu verletzen. Die Liebe nämlich macht's! Die hört auch nie auf. Alles andere hört einmal auf, aber die Liebe bleibt.
Paulus hat diese Worte so literarisch kunstvoll verpackt, dass man das 13. Kapitel im Korintherbrief das "Hohelied" der Liebe genannt hat. Ein Text, der es wert ist, gesungen zu werden, oder mindestens jetzt einmal mit anderer Stimme vorgelesen zu werden:
Textlesung: 1.Kor.13,1-13 (Siegrun)

Heute

Springen wir noch einmal ein paar Jahre weiter, knappe 2000. Heute kommt ihr beiden an einem sonnigen Tag in HIER und mit vielen Festgästen hier in der Kirche zusammen in der Gegenwart Gottes und vor Jesus und ihr habt dieses Pauluswort mitgebracht als Motto für diesen Gottesdienst und diesen Tag: "Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe; diese drei; aber die Liebe ist die Größte unter ihnen."
Diese Liebe ist die Größte und passt scheint's in so verschiedene Lebenssituationen wie in Diskussionen mit einem Wanderprediger, wie in Streitigkeiten in der Gemeinde und wie in das Hochzeitsfest zweier Christenmenschen.
Unter all den vielen wichtigen und guten Dingen, die es sonst gibt, ist diese Liebe das Größte, weil sie so universal ist, so ewig, so grundlegend und so groß.

Liebe als agape

Was ist das nun für eine Liebe? Im Griechischen kann man das schön (auch wenn es manche schon gut kennen) durch drei Begriffe auseinanderhalten, was im Deutschen alles pauschal mit Liebe übersetzt wird:
Dort gibt es eros, die erotische Liebe, die Sexualität, die den andern zieht, ihn gewinnen will.
Dann gibt es da die philia, die freundschaftliche Liebe, das partnerschaftliche Beieinandersein, mehr auf der geistigen Ebene.
Und die dritte Bezeichnung ist schließlich die agape. Dieses Wort verwendet die Bibel, wenn es um die Nächstenliebe geht.
Die agape ist die Liebe, die sich hingibt an den andern, die sich mit ihm solidarisiert, auf ihn hört, mit ihm geht und ihm aufhilft.
Eros kann heftig sein bis hin zu Gewaltanwendung. Philia ist mehr vergeistigt, sie kommt zum Beispiel auch in Phil-osophie oder andern ähnlichen Worten vor.
Agape ist dagegen die konkrete Mitmenschlichkeit, begegnet dem andern auf Augenhöhe, nimmt ihn als Menschen und Partner ernst. Einfach so, wie Paulus hier schreibt: Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Das ist die Liebe, die nicht auf Verliebte und Ehepaare begrenzt ist, sondern die sich auch die SIEBERUF für ihre beruflichen Kontakten vornehmen kann. Das ist sogar eine Liebe, die der ERBERUF in seinem Verhältnis zur grünen Schöpfung leben kann.
Dass diese Liebe die Größte ist, das haben Jesus und Paulus zum Ausdruck gebracht und dem schließt ihr euch heute an mit eurem Trauspruch und auch mit der Tatsache, dass ihr zu eurer Hochzeit diesen Gottesdienst feiert und die Liebe Gottes spüren wollt, zugesagt bekommen wollt in seinem Segen.

Die Liebe Gottes in eurem Leben

Ich habe eine Zeit lang überlegt, was ich denn als anschauliches Beispiel mit hier in den Gottesdienst bringen könnte. Ein paar Ansätze sind mir auch eingefallen, aber dann habe ich beschlossen, dass ich keinen Gegenstand als Zeichen für die Liebe mitbringen will, weil heute ihr beiden als Symbol der Liebe ohne Konkurrenz bleiben sollt.
Es trifft ja auch zu und soll weiter zutreffen, dass ihr beiden nicht nur hier seid als Symbol für eros, die geschlechtliche Liebe zwischen Mann und Frau, nicht nur als Symbol für philia, die gute Geistesgemeinschaft. Ihr seid hier und heute unter uns mit eurer Geschichte mit Gott und mit eurer Gemeinschaft selbst das beste Symbol für die Liebe Gottes in eurem Leben.
Ihr begegnet heute nicht zum ersten Mal dem Thema der christlichen Liebe. Ihr habt es im Elternhaus oder in der Kinderkirche erfahren, wie Gottes Liebe zu den Menschen kam. Wie sie in Jesus den Menschen ganz nahe kam und durch Jesus Gottes Liebe die Welt erlöste.
Auf ganz verschiedenen Wegen kam diese Liebe zu euch, verbunden auch mit Glauben und Hoffnung. Ihr habt euch im Raum dieser Liebe gerne aufgehalten und mitgemacht in der Jugendarbeit.
Ihr wisst, wie ihr auch als Paar gemeinsam die agape leben könnt und leben wollt, dass ihr da sein wollt füreinander, euch weich anfassen wollt und klärend, wenn Streit einmal sein muss.
Eure Liebe soll durchhalten und immer wieder aufblühen wie eure Orchidee vom Valentinstag, die schon seit ein paar Jahren immer wieder kommt und blüht.

Die Sehnsucht nach der Vollendung

Gott hat euch so manches Zeichen der Liebe in eurem Leben geschenkt. Seine Liebe ist Gabe und Geschenk. Diese Grundstruktur, dass die agape von den Gaben Gottes lebt, das macht sie so groß. Sie will nicht von uns produziert, sondern durch uns gelebt werden.
Für mich macht das die Liebe Gottes auch zur unkompliziertesten Beziehung. Beziehungen unter uns Menschen können ja immer wieder kompliziert werden, weil wir einfach einander nicht 100-prozentig verstehen und aneinander vorbeireden. Bei Gott gehe ich davon aus, dass er mich ganz kennt, dass ich nichts verbergen muss vor ihm, weil es in der Liebe Gottes keine Geheimnisse gibt. Ich kann mich von ihm ganz lieben lassen. Und wo ich mich so ganz verstanden und geliebt wissen darf, da ist einfach eine große Klarheit.
In unserer Ehe erleben wir das als schön, dass wir uns immer besser kennen lernen, immer mehr voneinander wissen. Trotzdem kennen wir uns untereinander nie so ganz, immer wieder schieben sich Geheimnisse dazwischen oder dass wir uns einfach nicht verstehen, weil wir unterschiedliche Blickwinkel haben.
An dieser Stelle schwingt ja auch etwas Sehnsucht in eurem Trautext mit: Da wird die Sehnsucht nach einem Zustand genannt, in dem wir nicht mehr glauben und nicht mehr hoffen müssen. Die Sehnsucht zielt auf einen Zustand, in dem die Liebe alles ausfüllt.
So weit sind wir aber eben noch nicht. Wir alle nicht. Als Ehepaar werdet ihr euch immer besser kennen lernen, aber auf dieser Welt nie ganz. Das ist der Punkt, an dem Paulus vom Stückwerk spricht und vom unscharfen Bild eines Spiegels. Deshalb ist es auch gut, wenn wir unsere Lebenshaltung so einstellen, dass wir von Gottes guter Liebe her leben und nicht von unserer Stückwerksliebe aus.
Im Gegensatz zu den Verhältnissen unter uns darf sich in Gottes Liebe jeder einzeln schon jetzt ganz verstanden fühlen. Diese Liebe ist tatsächlich das Größte.
Glauben, Hoffen, Lieben. Ihr glaubt an eine Zukunft miteinander unter Gottes Segen, ihr hofft auf einen guten Weg miteinander. Aber ihr dürft wissen, dass die Liebe Gottes schon jetzt für euch da ist und dass sie auch bleibt. Davon soll eure Liebe leben und auch euer Glauben und Hoffen.
Zusammenfassend möchte ich im Anschluss an euren Trautext sagen: Ihr und jeder und jede von uns, ihr könnt beschenkt von der Liebe Gottes leben. Tut alles mit der Liebe mit der Liebe Gottes, das ist das Größte!
Amen.


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