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Predigt zum Gründonnerstag
Reihe II
1.Kor.11,23-36 Die Einsetzungsworte zum Abendmahl
Thema:  Christus ist für uns

Predigt von Pfarrer Gunther Seibold, Hemmingen
gehalten am 08.04.2004 in Hemmingen
 

Liebe Gemeinde,

 

Hinführung: Die Situation an jenem Abend

 

von jenem denkwürdigen Abend damals,

als Jesus in Jerusalem spürte,

dass sein letzter Abend gekommen war,

wird uns berichtet,

dass Jesus mehr und mehr allein war.

 

Hinaus aus der lärmenden Stadt

ging er in die Runde der 12 Jünger,

danach mit 11 Jüngern hinaus in den Garten Gethsemane,

schließlich mit dreien noch ein Stück weiter

und diese verließen ihn im Schlaf.

Bis zum Morgen,

als der Hahn 3x krähte,

stand keiner mehr zu ihm.

Da war kein einziger mehr für ihn.

 

Keiner war für Jesus.

Eine denkbar dunkle Nacht.

 

Die Einsetzungworte: Keiner für ihn, er für uns

 

Ausgerechnet in dieser Nacht, wo keiner mehr für ihn war,

da stiftete Jesus das Abendmahl für uns.

Ein Mahl der Gemeinschaft

und ein Mahl, bei dessen Stiftung Jesus ausdrücklich betont hat,

dass er für uns sei.

 

Keiner ist für ihn,

er ist für uns.

 

In den Einsetzungsworten zum Heiligen Abendmahl

kommt das zu einem starken Ausdruck.

Wir wiederholen diese Worte daher auch bei jeder Abendmahlsfeier.

Sie machen uns gewiss,

dass Jesus sich für uns gibt.

 

Als Predigttext für den heutigen Abend

sind die Einsetzungsworte vorgesehen.

 

Insgesamt werden die Einsetzungsworte Jesu zum Abendmahl

4 Mal im Neuen Testament überliefert und das ziemlich wortgleich.

Unsere liturgische Form übernimmt Worte

aus allen überlieferten Stellen

und hat sie in eine noch gleichmäßigere Form gebracht.

 

Ich lade Sie ein, die Einsetzungsworte aufzuschlagen

im EG auf der Seite 1254 unten.

Ich lese den Predigttext nach der biblischen Form

bei Paulus in 1. Korinther 11,23-26.

Dann können Sie mitlesen und gleichzeitig erkennen,

wie nahe die uralte Form bei Paulus unserem Text steht.

Die Überlieferung im Korintherbrief

kommt unserer liturgischen Form am nächsten.

Ich nehme das zum Anlass,

nachher über die Einsetzungsworte als solche zu sprechen.

 

Paulus schreibt:

23 Ich habe von dem HErrn empfangen,

was ich euch weitergegeben habe:

Der Herr Jesus, in der Nacht,

da er verraten ward, nahm er das Brot,

24 dankte und brach's und sprach:

Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird;

das tut zu meinem Gedächtnis.

25 Desgleichen nahm er auch den Kelch

nach dem Mahl und sprach:

Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut;

das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.

26 Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

 

Zur Bedeutung der Einsetzungsworte

 

Paulus schrieb seinen Brief etwa im Jahr 53 nach Christus,

also 20 Jahre nach der Kreuzigung Jesu.

Diese Worte hatten sich schon vorher in der damaligen Christenheit

in dieser Gestalt verbreitet

und sie stehen damit historisch gesehen ganz dicht

am Geschehen in jener denkwürdigen Nacht

am Zentrumg unserer christlichen Weltgeschichte.

 

Nun, auch theologisch stehen diese Worte ganz dicht

an dem, was Jesus ausmacht.

Sie bringen zum Ausdruck, wer er ist,

was er will, wie er es meint

und wie es in der Jüngerschar nach seinem Tod weitergehen soll.

 

Diese Worte stehen so zentral,

dass sich an ihnen die Differenzen unter den Konfessionen bis heute festmachen.

Dabei geht es um den Kern dieser Einsetzungworte:

„Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.“

 

Wie Jesu Leib im Mahl gegenwärtig ist,

das ist der Knackpunkt im evangelisch-katholischen Verhältnis

und auch – was nicht so bekannt ist -,

zwischen den evangelischen Lutheranern und Reformierten.

 

In diese Diskussionen will ich mich heute abend nicht hineinbegeben.

Das ist ein lohnendes Thema für die Erwachsenenbildung,

sich einmal genau anzusehen,

wie die Worte von der Einsetzung des Abendmahls

bei den verschiedenen Evangelisten überliefert sind

und wie sie in der Reformationszeit ausgelegt wurden.

 

Das zentrale „Für uns“

 

Ich halte mich heute Abend an das, was alle Christen

in diesen Worten gemeinsam verstehen und was man auf die Formel bringen kann:

„Christus für uns“.

Christus pro nobis auf Lateinisch.

 

„Für euch gegeben“, sagt Jesus,

ist mein Leib, für euch vergossen ist mein Blut.

 

„Für euch“ – für die Jünger damals und

für uns Jüngerinnen und Jünger heute.

Jesus gibt sich für mich,

oder, wenn wir’s weitersagen und weitergeben,

für dich und dich und dich.

 

Ich will uns dieses „für euch“ heute Abend auslegen.

Das wird bis zu der Behauptung gehen,

dass Christus mehr für uns ist,

als wir für uns sein können.

 

Zunächst aber beginnen wir beim Äußerlichen:

 

Jesus stiftet für uns ein festliches Gedächtnis

 

Jesus stiftet für uns ein festliches Gedächtnis.

Es war ja ein Nachtweg, den Jesus ging,

aber er führt uns in einen Raum,

in dem sicher damals Lichter brannten

und in dem eine festlich-feierliche Stimmung herrschte

beim Passamahl in Jerusalem.

 

Dass Jesus für uns eine Mahlzeit gestiftet hat,

das halte ich für ein großes Geschenk.

Bis heute feiern wir unsere größten Feste mit einer Tischgemeinschaft.

Der Tisch ist Symbol für Wohlergehen und für Stärkung.

 

So ist Jesus für uns:

Einer, der unser Wohlergehen will und unsere Stärkung.

Mit einem Wort:

Jesus stiftet einen Tisch des Segens von Gott.

 

Jesus stiftet ein gemeinschaftliches Gedächtnis

 

Das Zweite geht weg vom Äußerlichen in die Beziehungen.

Jesus stiftet ein gemeinschaftliches Gedächtnis.

Er saß mit seinen Jüngern zu Tische,

betete und lobte Gott mit ihnen gemeinsam.

 

Das tut er für uns,

weil wir Menschen nicht allein bleiben können.

Wir brauchen die Gemeinschaft,

nicht nur im Glauben – aber dort erst recht.

Jesu Vermächtnis ist, dass wir in der Gemeinschaft bleiben,

weil er dort für uns ist.

 

Jesus stiftet ein persönliches Gedächtnis

 

Gehen wir noch einen dritten Schritt in diesem „Für uns“:

Jesus stiftet ein persönliches Gedächtnis:

Er steht ein für unsere Schuld

und gibt sich für uns zur Vergebung unserer Sünden.

 

Er ist damit für mich (pro me) an einem Punkt,

an dem ich nicht einmal selbst für mich sein kann.

Wenn ich versagt habe,

wenn ich schuldig geworden bin,

dann spreche ich selbst gegen mich.

Als Sünder habe ich mich selbst verleugnet

und getan, was ich eigentlich gar nicht wollte.

Wenn ich vor Gott schuldig geworden bin,

bin ich gegen Gott und damit auch

gegen mich,

weil ich mich aus der Gotteskindschaft wende.

 

An dieser Stelle kann kein anderer Mensch für mich sein.

Als Gottes Sohn spricht aber Jesus dieses „für euch“ gegeben

zur Vergebung der Sünden.

Jesus sagt uns zu:

„Ich gebe mich selbst für euch,

ich trete für euch ein, wo ihr selbst euch nicht vertreten könnt.

In meiner Hingabe wird euch ein Bund,

ein neuer Bund mit Gott geschenkt.

Ihr kommt in eine neue Gemeinschaft mit Gott.

Ihr habt durch mich Vergebung eurer Sünde.“

 

So ist Jesus mehr für uns

als wir selbst für uns sein können.

 

Dieses Einstehen für uns hat Jesus nicht nur im Tod,

sondern auch im Leben gelebt.

Dafür gibt es genug biblische Beispiele.

• Da war der Mann am Teich Betesda, der keinen Menschen hatte,

der ihm half.

• Oder da war der Gelähmte, dem Jesus die Sünden vergab

und ihn dann auch noch am Leib gesund machte.

• Da war die Sünderin, die gesteinigt werden sollte.

Jesus tritt für sie ein, als keiner sonst

und sie selbst nicht das konnte.

Er ermöglicht dieser Frau eine Zukunft.

 

Das führt uns zum Schluss zu einem nächsten, einem vierten Schritt:

 

Jesus stiftet ein auf Zukunft angelegtes Gedächtnis

 

Jesus stiftet ein auf Zukunft angelegtes Gedächtnis.

 

Das Abendmahl setzt er ein für die Zeit,

in der er nicht mehr als Mensch unter den Seinen ist.

Wo das Abendmahl gefeiert wird,

da dürfen wir leibhaftig erleben,

dass Jesus „für uns“ bleibt.

 

So oft wir aus dem Kelch trinken,

dürfen wir uns die Nähe Jesu vergegenwärtigen.

Im lutherischen Verständnis erleben wir solche Vergegenwärtigung

im Wort Jesu.

Wenn wir es sagen: „Das ist der Leib Jesu Christi, für dich gegeben“,

dann dürfen wir Brot und Wein

als leibhaftige Vergegenwärtigung nehmen

und in uns aufnehmen.

So, wie wir auch nachher in unserer Feier

Brot und Wein in uns aufnehmen

und wie sie sich dann durch unseren ganzen Organismus verteilen,

so real will Jesus uns sein „Für-uns-Sein“ zusagen.

 

Lutherische Theologen sprechen vom „leiblichen Wort“,

in dem Jesus ganz „für uns“ ist.

Ich denke, dass wir letztendlich gar nicht wissen müssen,

wie das nun genau funktionieren soll.

Ich glaube, dass wir es gar nicht wissen können,

sondern einfach glauben dürfen,

dass Jesus „für uns“ ist.

 

Er ist für uns

im festlichen Mahl,

in der Gemeinschaft,

in der Vergebung der Sünden

und in alle Zukunft.

 

Paulus hat das unbedingte „für-uns-Sein“ Gottes in Jesus

in die bekannten Worte gefasst, mit denen ich schließen will:

„Ist Gott für uns – wer mag wider uns sein?“ (Rö.8,31)

 

Amen.

 

 

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